Die Porzellanmalerin
ihrem Gesicht auf die Matratze gedrückt. Sie konnte sich nicht bewegen.
»Warum läufst du weg, Friederike? Hast du Angst, dass ich dir wehtue?«
Seine Stimme klang jetzt auffallend ruhig. Fast einfühlsam.
»Du tust mir jetzt schon weh, Caspar. Lass mich los!«
»Stell dich nicht dümmer, als du bist! Du weißt genau, was ich meine. Hast du Angst, dass es wehtut?«
Er war ein wenig zur Seite gerollt und tastete mit der Hand nach ihrer Scham, um sie zu streicheln. Für einen winzigen Moment war sie versucht, die Augen zu schließen und das Ganze über sich ergehen zu lassen. So schlimm würde es vielleicht nicht werden. Dann aber siegte wieder die Empörung in ihr.
»Nicht, dass du denkst, ich sei noch Jungfrau, Caspar! Daran liegt es jedenfalls nicht, wenn ich keine Lust habe, mich dir hinzugeben«, erwiderte sie schnippisch und schob seine Hand zur Seite.
»Du schläfst mit anderen Männern, aber nicht mit mir?«
Er hatte seine Stimme zu einem heiseren Flüstern herabgesenkt.
»Genau, Caspar! Mit dir nicht! Nicht so jedenfalls. Kapier das endlich!«
Auch sie zischte jetzt nur noch.
Minuten vergingen. Oder zumindest kam es ihr so vor, während Caspar weiterhin schwer auf ihr lag und auf sie herunterstarrte. Sein Gesicht verfinsterte sich zusehends. Schließlich stand er wortlos auf und ging hinaus. Krachend fiel die Tür hinter ihm zu.
Zitternd sprang Friederike auf, nahm sich eins von seinen Hemden vom Haken, streifte ihre Hose über und schlüpfte in ihre Schuhe. Ihre Haare, ihre Haut waren noch immer nass, aber das war ihr jetzt egal. An Deck drehte sie sich ein letztes Mal um. Caspar war nirgendwo zu sehen. Sie kletterte ans Ufer und rannte, so schnell sie konnte, in Richtung Stadt. Sie war noch einmal davongekommen.
»Herr Ebersberg hat einige interessante neue Modelle entworfen. Dazu wollte ich gern Ihre Meinung hören, werte Kollegen.«
Benckgraff hatte nicht nur Friederike, Obermaler Feilner und Johannes Zeschinger in sein Kabinett gebeten, sondern auch Modellmeister Kleinmüller dazu eingeladen. Sie hatte als Letzte den Raum betreten und sich mit dem ungepolsterten Stuhl neben Caspar begnügen müssen, weil kein anderer Platz mehr frei gewesen war. In den vollgestopften Raum war ein großer Tisch gestellt worden, um den sie nun alle versammelt saßen. Weiße Leintücher verdeckten die ausgestellten Modelle auf dem Tisch.
Caspar hatte ihr nur zugenickt, als sie ins Zimmer gekommen war. Seit der Szene am Fluss, fast zehn Tage lang, waren sie einander erfolgreich aus dem Weg gegangen. Friederike war seine Nähe unangenehm, völlig verkrampft saß sie auf ihrem Holzstuhl. Doch Caspar beachtete sie gar nicht weiter, sondern starrte wie gebannt zum Direktor hinüber.
»Herr Ebersberg«, wandte dieser sich nun feierlich an seinen neuen Modelleur, »bitte sagen Sie uns noch einmal, wie Ihre Modelle heißen.«
»Diese Szene heißt ›Die Badenden‹.«
Mit einem Ruck zog Caspar das Tuch von dem vordersten Modell, das einen Mann und eine Frau in leidenschaftlicher Umarmung zeigte. Sie trug nur ein Hemd, das eng an ihrem Körper klebte, er einen locker um die Hüften geschlungenen Lendenschurz. Ihre Lippen lagen aufeinander, die Gesichter drückten höchstes Verlangen aus.
Friederike wurde heiß. Der Mann sah aus wie Caspar, die Frau wie sie. Aus den Augenwinkeln warf sie einen verstohlenen Blick in die Runde. Ob irgendjemand die Ähnlichkeit bemerkte? Was für eine Unverschämtheit von Caspar! Wie konnte er es wagen, sie so bloßzustellen!
Simon Feilner lächelte ihr zu, als er ihren Blick auffing. Täuschte sie sich, oder hatte sie ein Funkeln in seinen Augen gesehen?
»Und hier haben wir den ›Schlummer nach dem Bade‹.«
Caspar zog ein weiteres Tuch vom Tisch. Die beiden Liebenden lagen nun noch immer eng umschlungen auf Gras. Ihre Augen waren geschlossen, ein wollüstiges Lächeln umspielte ihre Lippen. Beide waren nackt.
»Das sind zwei einzelne Figuren, die ebenfalls zu der Gruppe der ›Badenden‹ gehören. Eine Nymphe auf einem Schwan reitend. Und ein junger Faun, der am Ufer ruht«, fuhr der Modelleur fort. Auch Faun und Nymphe waren nackt.
Wie kam Caspar auf die Idee, das Ensemble eine Gruppe zu nennen, wenn es sich doch immer um dieselbe Frau und denselben Mann handelte? Friederike hatte sich selten so unwohl in ihrer Haut gefühlt. Jeden Moment konnte einem der Kollegen die frappierende Ähnlichkeit zwischen dem hier anwesenden Porzellanmaler Friedrich Christian Rütgers und
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