Die Porzellanmalerin
ich lieber, falls uns jemand zusehen sollte.« Er zeigte ihr ein halb zerknirschtes, halb verschmitztes Lächeln. »Es tut mir so leid! Ich hatte gedacht, du zierst dich nur ein bisschen. Ich hätte wissen müssen, dass du keine von diesen albernen Püppchen bist, die einen Mann aus Koketterie erst einmal hinhalten. Sondern dass du alles meinst, was du sagst. Ich bin zu weit gegangen!«
Schuldbewusst senkte er den Blick.
Friederike war fast gerührt. So viel Einsicht und Einfühlungsvermögen hätte sie ihm im Leben nicht zugetraut.
»Aber wie sollte ich wissen, dass das, was zwischen uns war, nicht mehr da ist? Zumindest bei dir nicht …« In seiner Stimme lag nun ein Vorwurf. »Es kann ja auch wiederkommen, oder? Mach mir Hoffnung, Friederike!«, bettelte er.
»Ach, es tut dir also leid? Und was sollte das dann heute? Wieso sieht die Frau bei den ›Badenden‹ genauso aus wie ich? Wenn das jemand bemerkt hätte!«
Der Anflug von Rührung, den sie verspürt hatte, war schnell wieder vergangen. Sie ärgerte sich über sich selbst. Warum schaffte sie es nicht, ruhig und gelassen mit Caspar umzugehen und seine Frechheiten an sich abprallen zu lassen? Er hatte sie schon wieder aus der Fassung gebracht.
»Es hat aber niemand bemerkt! Und die Frau sieht so aus wie du, weil sie schön sein sollte. Und du bist nun einmal die schönste Frau, die ich kenne!«
»Ach, und der Mann sieht so aus wie du, weil du der schönste Mann bist, den du kennst!«, fauchte sie zurück.
Caspar lächelte bescheiden. Auf falsche Art bescheiden. Erwartungsvoll sah er sie an.
»Es gibt übrigens tatsächlich einen anderen. Du solltest mich lieber vergessen, du hast keine Chance«, sagte sie endlich.
Nur Grobheit würde hier weiterhelfen. Wenn Caspar sie nicht verstehen wollte, musste sie eben härtere Bandagen anlegen.
»Einen anderen? Wen? Und wo ist er?«
Theatralisch ließ er den Blick durch die Gegend schweifen.
»Nicht hier … Er ist in meinem Herzen.«
Das klang selbst in ihren Ohren ein wenig lächerlich. Aber es stimmte: Giovanni war in ihrem Herzen, er würde für immer dort sein.
Sie hatte sich schon zum Gehen umgewandt, als sie Caspar in ihrem Rücken in schallendes Gelächter ausbrechen hörte. Es war ein gehässiges Lachen, das nicht recht zu seinem schönen Gesicht und seiner charmanten Art passen wollte. Ein Lachen, das sie an die brutale Fratze erinnerte, die er neulich Abend gezeigt hatte.
»Ebersberg behauptet, Sie wären in Wahrheit eine Frau, die sich als Mann verkleidet hat, um ihren Beruf ausüben zu können«, kam Benckgraff wie immer sofort zur Sache.
Das war’s, nun ist alles aus, dachte Friederike, als sie das ernste Gesicht des Manufakturdirektors vor sich sah. Von Anfang an hatte sie ein ungutes Gefühl gehabt, nachdem Benckgraff sie für den nächsten Morgen pünktlich um halb zehn in sein Zimmer hatte bestellen lassen. Simon Feilner hatte ihr die Nachricht mit einem mitfühlenden Lächeln überbracht. Einen Moment lang hatte sie überlegt, den Obermaler zu fragen, ob er wisse, warum der Alte sie zu sprechen wünsche, sich dann aber eines Besseren besonnen. Sie wollte Simon aus der Geschichte heraushalten. Ihr Verhältnis war zu gut, als dass sie es damit hätte belasten wollen. Er würde sich eh seinen Teil gedacht haben, nachdem er in den letzten Tagen immer wieder Zeuge von Caspars halb versteckten, halb offenen Zudringlichkeiten geworden war. Auch Johannes hatte bereits mehrfach eine Bemerkung in die Richtung gemacht.
Sie hatte schon den Mund geöffnet, um alles zu gestehen, zu
sinnlos erschien es ihr, etwas zu leugnen, das eindeutig den Tatsachen entsprach, als sie zu ihrem Erstaunen Benckgraff sagen hörte:
»Das ist natürlich eine absurde Verleumdung! Ich glaube kein Wort davon.« Er sah, dass sie etwas erwidern wollte, und kam ihr zuvor: »Nein, sagen Sie nichts, Herr Rütgers. Eine solch infame Lüge muss man nicht weiter kommentieren. Leider ist Herr Ebersberg ein zu guter Modelleur, als dass ich ihn einfach hinauswerfen könnte. Ganz abgesehen davon, dass wir dann überhaupt keinen Modellmeister mehr hätten …«
Johannes Kleinmüller hatte den Machtkampf gegen Caspar Ebersberg endgültig verloren und zwei Tage zuvor fristlos gekündigt. Er wollte sich nicht mehr jeden Tag gegen einen Jüngeren behaupten müssen, der die Zukunft und die Mode auf seiner Seite hatte. Die Mitarbeiter hatten ihr aufrichtiges Bedauern geäußert, denn Kleinmüller war bis auf seinen Ordnungswahn ein
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