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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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der Frauenfigur auffallen. Was war bloß in Caspar gefahren? Hatte er die Situation am Fluss etwa so interpretiert, wie er sie in seiner Kunst wiedergab? So selbstherrlich konnte doch niemand sein, dass er massive Ablehnung mit absoluter Hingabe verwechselte! Aber zugleich musste sie sich eingestehen, dass seine Modelle einfach fantastisch waren. Wahre Kunst. Lebendig, authentisch und schön. Schnörkellos. Viel schöner als alles, was jemals in Höchst entworfen worden war.
    Sie rückte näher an das Modell der »Badenden« heran, um es besser studieren zu können. Hätte sie sich nicht selbst in der Frauenfigur erkannt, hätte sie ihre Begeisterung spontan gezeigt. So aber musste sie versuchen, Zeit zu gewinnen, um ihre Gefühle zu sortieren. Bei allem Groll gegenüber Caspar hatte sie nicht vor, ihm persönlich oder der Manufaktur zu schaden. Ja, es war eine bodenlose Frechheit, dass Caspar sie nun auch noch ungefragt als Modell verwendet hatte, aber durften ihre persönlichen Empfindungen der Kunst im Wege stehen?
    »Die sind aber schön!«, hörte sie in dem Moment Simon Feilner sagen. »Wirklich, ausgesprochen gelungen!«

    Auch er hatte sich über die Modelle gebeugt. Wieder meinte sie, in seinen braunen Augen ein Blitzen gesehen zu haben.
    »Das finde ich auch.« Benckgraff sah überaus zufrieden aus. »Ein wenig pikant zwar, aber das verkaufen wir umso besser.«
    Johannes Zeschinger nickte nur und strich mit dem Finger sanft über die Rundungen der Frau.
    »Mir scheinen sie ein wenig … wie soll ich sagen … ein wenig ohne Witz zu sein«, mischte sich nun der Modellmeister ein.
    Es war klar, dass Kleinmüller das Werk seines Konkurrenten unmöglich gutheißen konnte. Zwar galt er offiziell als Caspars Vorgesetzter, aber jeder in der Manufaktur wusste, dass dieser sich die untergeordnete Rolle nicht gefallen ließ, zumal er wirklich der bessere Künstler war. Seitdem tobte der Kampf zwischen dem Meißener und dem Höchster.
    »Sie wirken so … ja, sie wirken so ernst«, versuchte Kleinmüller sich zu erklären. »So, als würden sie wirklich meinen, was sie da tun. Ihnen fehlt das Kokette, wenn Sie verstehen, worauf ich hinauswill. Genau das aber suchen unsere Kunden in den Figuren.«
    Der Modellmeister war ein blässlicher Hänfling mit schütterem Haar. Friederike hatte sich die ganze Zeit schon gewundert, warum er keine Perücke trug. Seine herausragende Eigenschaft war, dass er Ordnung über alles liebte. Ordnung war ihm wichtiger als gute Arbeit. Solange seine Mitarbeiter nach der Arbeit ihre Tische aufräumten, war er zufrieden. Schon ein am falschen Platz liegendes Bossierholz konnte ihn in Rage bringen.
    Kleinmüller räusperte sich und ließ wieder seine leidende Stimme erklingen:
    »Und sie sind zu nackt! Unsere Kunden mögen das Drastische nicht. Sie wollen niedliche Figuren, keine schockierenden. Wir wissen natürlich alle, worum es geht …« Er räusperte sich noch einmal und fuhr fort, ohne irgendjemanden anzusehen: »Aber muss man es so direkt darstellen? So nackt?«
    Friederike hatte beobachtet, wie sich Caspars Augen während
Kleinmüllers Rede zu schmalen Schlitzen verengt hatten. Als er ihren Blick auf sich spürte, setzte er sofort wieder ein strahlendes Lächeln auf.
    »Und, Friedrich, was meinst du?«, fragte er betont beiläufig.
    Alle blickten auf sie. Friederike ließ sich Zeit mit der Antwort.
    »Tja, wenn ich ehrlich bin …« Sie legte eine Kunstpause ein. »Also, wenn ich ehrlich bin, lieber Caspar: Das hätte ich dir nie zugetraut! Du hast dich selbst übertroffen: So viel Chuzpe und … Fantasie hätte ich sogar von einem Caspar Ebersberg nicht erwartet.«
    Voller Genugtuung konnte sie beobachten, wie Caspars Gesicht in sich zusammenfiel. Von Triumph war in seinen Zügen keine Spur mehr zu entdecken, eher von tiefer Verunsicherung. Mit einer Flucht nach vorn ihrerseits hatte er wohl nicht gerechnet.
    »Im Übrigen würde ich zu gern wissen, wer dir hierfür Modell gestanden hat«, kartete sie mit zuckersüßem Ton nach.
    Der Hieb hatte gesessen. Caspars Gesicht lief dunkelrot an. Er schien etwas erwidern zu wollen, besann sich dann aber offenbar eines anderen.
    Kurz fragte sie sich, ob sie zu weit gegangen war. Sie straffte die Schultern. Nein, dachte sie dann, er hat mich fast vergewaltigt. Und die Situation auch noch künstlerisch ausgenutzt. Wenn auch gekonnt. Aber zumindest sollte er wissen, dass sie sein Verhalten keineswegs guthieß und sich zu wehren wusste.
    »Ihre

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