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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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erzählt, dass ich in der Manufaktur inzwischen eine hohe Position einnehme. Auf dem Rückweg von Paris werden Charlotte und ich auf jeden Fall bei Dir vorbeischauen.
    Auf bald,
    Dein sich darauf freuender Bruder Georg

    M it reichlich Klecksen versehen hatte Charlotte in violetter Tinte daruntergeschrieben:
     
    Liebste Friederike,
    Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie sehr wir Dich vermissen! Es gibt so viel Neues zu berichten, ich kann es kaum erwarten, bis wir uns wiedersehen. Werden auch für Dich bald die Hochzeitsglocken läuten? Ich wünsche es Euch beiden so sehr!
    Deine treue Freundin Charlotte

7. KAPITEL
    D iesmal suchte sie sich einen Platz möglichst nah am Ofen. Unten in der Blauen Malerstube zog es so sehr, dass sie sich zum Arbeiten in eine Decke hüllte. In Benckgraffs Bureau dagegen war es gemütlich warm. Mit dem Schürhaken in der Hand stand der Direktor vor dem Ofen.
    »Guten Morgen, Herr Rütgers. Die anderen werden auch gleich da sein.«
    Er bückte sich, öffnete die Ofenklappe und stocherte mit dem Schürhaken im Feuer herum. Der pockennarbige Assistent eilte ihm zu Hilfe und legte ein Scheit Holz nach. Wie ein Kammerdiener lungerte er den ganzen Tag um Benckgraff herum, immer auf dem Sprung, ihm zu Diensten zu sein.
    Caspar trat ein. Sein ganzer Habitus hatte etwas Staatstragendes bekommen, seit er offiziell die Funktion des Modellmeisters bekleidete. Nie sah man ihn mehr ohne seine sorgfältig frisierte Perücke. Kein Härchen befand sich am falschen Platz. Er trug einen grünen Samtrock mit goldener Stickerei an Revers und Ärmeln, dazu eine passende Hose. Ein zur Schleife gebundenes Spitzenhalstuch unterstrich sein Künstlertum. Alles nagelneu und bestimmt nicht billig. Für einen kleinen Ort wie Höchst ziemlich übertrieben, dachte Friederike. Caspar wollte eindeutig etwas darstellen. Alle sollten seinen Erfolg sehen. Er war der bedeutendste Mann nach dem Direktor, wenn auch nur in Höchst, nicht in Meißen. Selbst Göltz, der Frankfurter Spiegelfabrikant, dem die Manufaktur gehörte, ein schwieriger Mann, mit dem sich nicht einmal Benckgraff verstand,
war begeistert von Caspars Figuren. Er hatte sein Frankfurter Haus damit dekoriert und drängte auf neue Modelle. Und seine Frau sei ganz hingerissen von der Gruppe der »Badenden«, hieß es.
    Caspar war in der Eingangstür stehen geblieben. Er schien zu überlegen, welchen Platz er wählen sollte. Am liebsten saß er Benckgraff genau gegenüber, sodass sie beide jeweils ein Tischende einnahmen und Friederike, Simon Feilner und Johannes Zeschinger sich irgendwie an den Seiten platzieren mussten. Heute hatte sich aber Friederike auf Caspars angestammten Platz gesetzt, da dieser dem Ofen am nächsten war. Sie tat so, als wäre das nichts Besonderes. Caspars Augen verengten sich, als er erkannte, dass sie nicht bereit war, den Platz zu räumen. Seine buschigen Brauen zogen sich über der Nase zusammen.
    Johannes Zeschinger schob sich von hinten an Caspar vorbei in den Raum. Sein dicker grauer Wollpullover war mit bunten Farbklecksen besprenkelt. In der Hand hielt er noch einen Pinsel. Benckgraffs Schwiegersohn, der immer schon dazu tendiert hatte, sein Äußeres zu vernachlässigen, sah immer mehr aus wie ein Schafhirte. Caspars Anwesenheit schien ihn regelrecht dazu zu ermuntern, sich abzugrenzen. Doch während zwischen Simon Feilner und Caspar inzwischen offene Feindschaft herrschte, hielt Johannes sich in persönlichen Dingen eher zurück. Solange er malen konnte, wie er wollte, und sich nicht allzu sehr bei der Arbeit anstrengen musste, war ihm alles Weitere egal. Als Ehemann von Benckgraffs Lieblingstochter hatte er ohnehin nichts zu befürchten.
    Als Simon Feilner kurz darauf mit fliegenden Rockschößen und wie üblich wirr abstehendem Haar den Raum betrat, blickte Caspar demonstrativ aus dem Fenster. Simon grinste kurz in Friederikes Richtung, nickte Benckgraff und Zeschinger zu und setzte sich dann aufreizend langsam auf den Platz direkt gegenüber dem Modelleur. Und zwar so, dass er unweigerlich in dessen Blickfeld kam und Caspar gar nicht anders
konnte, als auf seinen betont höflichen Gruß eine Erwiderung zu murmeln.
    Caspar schien genau zu wissen, welche Meinung Simon von ihm hatte. Dabei war eigentlich gar nichts vorgefallen, was Simons Abneigung gerechtfertigt hätte, überlegte Friederike. Noch nicht! Simon hielt Caspar für einen skrupellosen Aufsteiger und hatte die Vermutung, dass dieser hinter seinem Rücken gegen

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