Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
und zusammen mit den anderen ein ausgesprochen wohlschmeckendes Mittagessen eingenommen. Es war noch genug Zeit, mit Carl Bogenhausen zu sprechen, hatte sie beschlossen. Er würde ihr schon nicht weglaufen, neugierig, wie er ganz offensichtlich war. Ja, er schien geradezu darauf zu brennen, mehr über sie und ihr Geheimnis zu erfahren.
     
    » D er Rhein!«, rief der Perückenmacher begeistert. »Gleich setzen wir über.«
    Friederike rieb sich die Augen. Sie musste eingeschlafen sein. Als sie sich an Carl Bogenhausen vorbei, der sie mit einem amüsierten
Blick bedachte, zum Fenster beugte und auf den vor ihr liegenden grüngrauen Strom mit der gekräuselten Oberfläche schaute, wurde ihr ganz warm ums Herz. Der Rhein - sie hatte schon viele Geschichten über diesen mythischen Fluss gehört, nun würde sie ihn gleich überqueren und sich in Frankreich befinden, dem Land, dessen Sprache ihr bereits so lange vertraut war, das zu besuchen sie aber nie die Gelegenheit gehabt hatte.
    In dem Moment öffnete der Conducteur den Schlag neben ihr, um seine Fahrgäste auf dem Laufenden zu halten.
    »Es wird noch einen Moment dauern, bis die Fähre da ist. Sie befindet sich noch am anderen Ufer. Sie können entweder hier sitzen bleiben oder aussteigen, wie es Ihnen beliebt. Das Fährgeld beträgt drei Kreuzer pro Person.«
    »Aber es hieß doch, alles ist inklusive!«, dröhnte angriffslustig der Soldat. »Und dann gleich drei Kreuzer! Das ist die teuerste Fähre, mit der ich je gefahren bin.«
    »Ach ja«, seufzte der Peruquier und zückte seine Börse. »So ist das nun mal, wenn man reist, jeder schlägt noch was drauf und kassiert doppelt und dreifach.«
    Seine zufriedene Miene strafte seine Worte Lügen; offenbar fand er es überhaupt nicht schlimm, so ausgenommen zu werden.
    Beim Aussteigen reichte Bogenhausen Friederike höflich den Arm, was verwunderte Blicke der anderen Reisenden nach sich zog. Gemeinsam stellten sie sich ans Ufer und warteten. Der Strom war breiter, als sie gedacht hatte. Breiter als der Main und breiter als die Elbe. In der Dämmerung konnte man die an einem Seil hängende Fähre näher kommen sehen. Ein feuchtkalter Wind blies vom Fluss her. Sie schlug ihren Mantelkragen hoch und versuchte, sich warm zu halten, indem sie von einem Bein aufs andere hüpfte. Josefine hatte ihr zu Weihnachten dicke Strümpfe mit einem Zopfmuster geschenkt, weshalb ihre Stiefel nun ein wenig eng saßen. Seit Anna von Caspar getrennt und mit dem Schäfer liiert war, hatte es keinen Mangel mehr an Wolle in der Kronengasse gegeben. Josefine war tagelang mit
der Spindel in der Hand herumgelaufen. Zu ihrem guten dunkelblauen Rock hatte Friederike sich eine passende gefütterte Hose schneidern lassen. Aber die Kälte drang ihr trotzdem durch Mark und Bein.
    »Fräulein Rütgers …«, hob Carl Bogenhausen so leise an, dass die Umstehenden seine Worte nicht hören konnten.
    Aber da trat der Perückenmacher neben sie und begann voller Pathos, ein Gedicht über den Rhein zu zitieren. Die Damen lauschten ergriffen, während der Offizier sich eher zu langweilen schien. Bogenhausen schnitt eine Grimasse und lächelte ihr verschwörerisch zu.
    Als die Fähre endlich angelegt hatte, weigerten sich die Pferde, auch nur einen Schritt vorwärts zu tun. Mit Engelszungen redete der Postillion auf sie ein, gab ihnen die Peitsche, als sie noch immer bockten, um sich schließlich achselzuckend abzuwenden und seine Bemühungen scheinbar aufzugeben.
    Plötzlich besannen die Tiere sich eines anderen und rasten wie angestochen auf die Fähre zu. Fast wäre die Kutsche umgekippt, wenn Carl Bogenhausen und der Soldat sich nicht geistesgegenwärtig dagegengestemmt hätten, während der Postillion das Gespann beruhigte. Noch immer schnaubten die Tiere unruhig und stapften hin und her. Immer wieder sah es so aus, als wollten sie mitsamt der Kutsche ins Wasser springen.
    Am anderen Ufer befand sich sogleich eine Zollstation, und nachdem endlich sämtliche Pässe kontrolliert und alles Gepäck durchsucht worden war, begaben die Reisenden sich zurück an ihre Plätze. »Höchstens noch vier Stunden, dann sind wir da«, hatte der Postillion ihnen versichert - vier Stunden, in denen die Damen selig schlummerten, die Herren Karten spielten und Friederike aus Carl Bogenhausens gänzlich verändertem Verhalten schlau zu werden suchte. Täuschte sie sich, oder hatten die zufälligen Berührungen ihrer Hände und Knie während der ruckelnden Fahrt zugenommen?

Weitere Kostenlose Bücher