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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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der erst stumm neben ihrem Bett gesessen hatte, um dann zu ihr unter das Laken zu kriechen. Sie hatte das Gesicht der schwarzen Gestalt nicht erkennen können, aber am Ende war sie aus dem Schlaf hochgeschreckt und tatsächlich aus dem Bett gesprungen, um sich davon zu überzeugen, dass ihre Zimmertür abgeschlossen war - es hätte ja sein können, dass irgendjemand in der Nacht heimlich in ihr Zimmer geschlichen wäre. Dass dieser Jemand nur ihr Zimmernachbar Carl Bogenhausen hätte sein können, war ihr erst später klar
geworden, als der Schlaf wieder nicht kommen wollte. Aber ob er die geheimnisvolle Schattengestalt gewesen war, vermochte sie dennoch nicht mit Sicherheit zu sagen. Jedes Mal, wenn sie versucht hatte, das Traumbild zurückzuholen und die Gestalt zu identifizieren, hatten sich die Gesichtszüge von Giovanni über die von Carl Bogenhausen geschoben. Fast wie damals im Gewürzspeicher, hatte sie schon wieder halb im Dämmer überlegt, aber trotzdem ganz anders.
    »Ich habe auch nicht gerade gut geschlafen«, erklärte ihr Gegenüber mit einem Anflug von Missmut in der Stimme. »Und wissen Sie, warum?« Er zeigte mit dem Finger auf ihre Brust. »Sie sind schuld!«
    »Wie, ich bin schuld?«, fragte sie verblüfft.
    Sie würde aus diesem Mann nie schlau werden. Jetzt machte er ihr auch noch Vorwürfe, weil er nicht gut geschlafen hatte!
    »Ja, Sie sind schuld! Die ganze Nacht habe ich an Sie gedacht. Friedrich Christian Rütgers ist also eine Frau, habe ich gedacht. Warum hat er - ich meine natürlich, sie - mir das nicht gleich gesagt, habe ich mich gefragt. Dann hätten wir eine Menge Zeit gespart.«
    Ihr blieb fast der Bissen im Halse stecken. Was sollte das jetzt wieder? Was meinte er mit ›Zeit gespart‹? Sie beschloss, einfach darüber hinwegzugehen, und fragte, kaum dass das Serviermädchen eine weitere Runde Kaffee gebracht hatte:
    »Sie sind wirklich nie auf die Idee gekommen, dass ich eine Frau sein könnte? Zum Beispiel im Hanauer Wald, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind? Oder später in der Herberge? Da spätestens hätten Sie doch etwas merken können!«
    »Nein, ich habe nie etwas bemerkt, wirklich nie!«, erwiderte Carl Bogenhausen fröhlich. »Im Hanauer Wald habe ich mich höchstens darüber gewundert, dass Sie allein und noch dazu unbewaffnet unterwegs waren.«
    »Und in Frankfurt, da auch nicht?«
    Sie nahm ein neues Stück Flammkuchen in die Hand.

    »Nein, aber ich fand Sie interessant, weil Sie einfach von zu Hause weggelaufen sind. Und gleichzeitig hat es mich ein wenig befremdet, dass da jemand so entschieden gegen seine Familie vorgegangen ist.« Er sah ihr tief in die Augen. »Wenn Sie es genau wissen wollen: Ich habe mich vom ersten Moment an zu Ihnen hingezogen gefühlt, aber das konnte ja nicht sein. Und als Sie mir dann auch noch den Kuss gaben, habe ich gedacht: O Gott, nun finde ich plötzlich einen Mann attraktiv!«
    Als Friederike schwieg, nahm er ihr den Flammkuchen aus der Hand und legte ihn zurück auf das Holzbrett. Sanft fuhr er über ihre Finger, die reglos vor ihm lagen.
    »Die sind mir schon immer als besonders wohlgeformt aufgefallen. Malerhände, habe ich gedacht, daher sind sie so zartgliedrig und fein …« Er nahm ihre beiden Hände in die seinen. »Seit ich weiß, dass Sie in Wirklichkeit eine Frau sind, finde ich Sie erst recht attraktiv, wissen Sie das, Friederike?«
    Nun war es also heraus: Carl Bogenhausen fand sie attraktiv. Und sie ihn?, fragte sie sich sofort. Ja, auch er gefiel ihr. Zunehmend, wie sie sich eingestehen musste. Vor allem fühlte sie sich in seiner Anwesenheit vollkommen wohl, so geborgen und sicher wie selten. Das war schon in Hanau so gewesen, nachdem er sie vor den Wegelagerern gerettet hatte, und dann auch in Frankfurt. Zudem hatte sie das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen und sehr vertraut mit ihm zu sein - vielleicht, überlegte sie, ja, vielleicht, weil sie einen ähnlichen familiären Hintergrund hatten, wenngleich die Bogenhausens natürlich viel wohlhabender und einflussreicher waren als ihre Familie.
    »Sie haben mir immer noch nicht erzählt, warum Sie mich damals eigentlich geküsst haben.«
    Carl Bogenhausen hatte den Druck seiner Hände verstärkt. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
    »Hm, ich habe Sie geküsst, weil … weil ich zu viel getrunken hatte … Und dann diese Gerüche und diese seltsame Bohne … Oder war es das Pulver, das ich probiert habe? Na ja, und …«

    Friederike brach ab. Sie wollte

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