Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
empor, dicht gefolgt von dem Hausknecht und dem pferdegesichtigen Mädchen, die ihr Gepäck schleppten. Mit einem leutseligen »Voilà!« stieß der Posthalter auf dem ersten Treppenabsatz einen Bretterverschlag auf und leuchtete hinein.
    Der Raum war winzig und ebenfalls nur mit Stroh ausgelegt. Dennoch schien der Peruquier hier seine Chance zu wittern und sagte so schnell, dass die anderen Zimmersuchenden keine Erwiderung mehr hervorbringen konnten:
    »Nun gut, den nehmen wir.«
    Auf dem nächsten Treppenabsatz öffnete der Wirt wieder eine Tür.
    »Wer nimmt diesen Raum?«, fragte er, an Friederike gewandt.
    Diese zögerte. Sie wollte erst sehen, wo Carl Bogenhausen übernachtete.
    »Erst die Dame«, verneigte sie sich in Richtung der Lyoneserin und machte eine galante Handbewegung.

    »Die anderen Zimmer sind wohl auch nicht viel besser?«, fragte die Französin. Resigniert folgte sie dem Wirt in den winzigen Raum, wo dieser sogleich die Kerze in dem Wandhalter anzündete.
    Als ahnte er, was sie vorhatte, maß Carl Bogenhausen Friederike mit einem misstrauischen Blick, bevor sie ihren Weg den Turm hinauf weiter fortsetzten. Beim nächsten Raum ließ sie ihm den Vortritt.
    Ihr eigenes Zimmer befand sich direkt unter dem Dach. Außer dem Stroh lagen überall ausgerupfte Taubenfedern auf dem Boden. Argwöhnisch schaute sie sich um. Sie hatte keine Lust, ihr karges Nachtlager mit einem Turmfalken oder einer Eule zu teilen. Aber falls hier jemand wohnen sollte, schien er ausgeflogen zu sein. Mit einem »Ich komme Sie morgen früh wecken, sobald die Pferde bereit sind« verabschiedete sich der Posthalter von ihr.
    Sie musste sich richtig dagegenstemmen, um die winzige Fensterluke zu öffnen, die wohl einmal eine Schießscharte gewesen war. Eiskalte Luft schlug ihr entgegen. Von unten konnte sie das Rauschen eines Baches hören. Sofort begann die Kerze zu flackern. Schnell warf sie das Fenster wieder zu.
    »Jetzt oder nie, Fräulein Simons«, sprach sie sich Mut zu, »es ist deine letzte Chance, ein paar Dinge geradezurücken.«
    Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie vorsichtig die Tür aufzog und in das steile Treppenhaus hinunterlauschte. Die Schritte des Wirts verhallten zunehmend, bald konnte sie die Eingangstür ins Schloss fallen hören. Sie versuchte, den Kerzenhalter aus seiner Verankerung zu lösen, aber offenbar war der Wirt aus der Erfahrung mit anderen Gästen schlau geworden und hatte ihn so fest an der Mauer angebracht, dass sie ihn nicht zu lockern vermochte. Selbst die Kerze ließ sich nicht aus dem Halter nehmen. In der Hoffnung, dass ihr genug Licht aus dem Zimmer die Treppe hinab bis zu Carl Bogenhausen folgen würde, beschloss sie, ihre Tür offen stehen zu lassen. Ihr Herz raste.
Sie war sich keinesfalls sicher, ob ihr Vorhaben nicht ein riesiger Fehler war. Langsam tastete sie sich von Stufe zu Stufe. Als sie etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, blieb sie stehen, um tief Luft zu holen. Sollte sie nicht einfach das Missverständnis auf sich beruhen lassen? Welche Wirkung würde ihre Enthüllung wohl auf ihn haben?, fragte sie sich zum dutzendsten Mal. Nein, sie musste es jetzt ein für allemal klären.
    Sie fröstelte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie kalt ihr schon wieder war. Ihre Augen hatten sich an das Dämmerlicht gewöhnt. Sie sah die vielen kleinen Schießscharten in der groben Mauer, durch die der Wind in den Turm pfiff. Wenn sie nicht sofort zur Tat schritt, würde sie sich erstens eine fürchterliche Erkältung einfangen, und zweitens würde sie wahrscheinlich nie mehr den Mut finden, Bogenhausen aufzuklären und damit ihr freundschaftliches Verhältnis wiederherzustellen. Jetzt oder nie!, wiederholte sie in Gedanken.
    Leise klopfte sie an seine Tür. Nichts passierte, kein Rascheln, keine Schritte waren zu hören. Erst recht kein freudiges »Herein!«. Hatte er sich etwa schon schlafen gelegt? Sie klopfte noch einmal, nun etwas lauter. Erschrocken fuhr sie zusammen, als plötzlich seine Stimme, offenbar von dicht hinter der Tür ertönte.
    »Wer ist da?«
    »Ich bin’s.«
    Eine dümmere Antwort hätte sie sich wohl kaum ausdenken können! Mein Gott, Friederike, was machst du hier eigentlich?, stöhnte sie innerlich.
    Quietschend wurde der Riegel zurückgeschoben. Vor ihr stand Carl Bogenhausen in Hemd und langer Unterhose, eine gezückte Pistole in der Hand.
    »Mir scheint hier ein Missverständnis vorzuliegen, Herr Rütgers!«
    Die Pistole in seiner Hand unterstrich

Weitere Kostenlose Bücher