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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Was besagte dieses verschmitzte Funkeln in seinen dunklen Augen? Wohin war der kühle
Frankfurter Patriziersohn verschwunden, der ihr die ganze Zeit aus dem Weg gegangen war und die kalte Schulter gezeigt hatte? Der Mann neben ihr benahm sich höchst zuvorkommend ihr gegenüber, ja, er schien geradezu erpicht darauf zu sein, seinen Charme sprühen zu lassen und ihr die lange Fahrt mit amüsanten Anekdoten zu versüßen. Selbst mit dem kameradschaftlichen »Richard Hollweg« oder dem freundlich-interessierten Carl Bogenhausen von vor dem Kuss wies er kaum mehr Ähnlichkeit auf. Nein, so wie er benahm sich nur ein Mann, der sich in der eindeutigen Absicht einer Frau genähert hatte, den allerbesten Eindruck bei ihr zu hinterlassen.
     
    D ie Stadttore waren bereits geschlossen, als sie Straßburg erreichten. Aus den versprochenen vier Stunden waren sechs geworden, weil eins der Pferde plötzlich zu lahmen begonnen hatte und ausgetauscht werden musste. Immerhin besteht die Chance, dass sie uns zumindest ein Dach über dem Kopf bieten werden, hatte Friederike beim Anblick der hell erleuchteten Fenster des unmittelbar neben dem Tor gelegenen Gasthofs gedacht, was Carl Bogenhausen, der vorausgegangen war, um nach Zimmern für die ganze Reisegesellschaft zu fragen, zur allgemeinen Erleichterung bestätigen konnte.
    Schon kam ein Knecht des »Goldenen Storchen« mit einem Karren angelaufen, auf den er in Windeseile ihre Gepäckstücke lud. Ein anderer begann, sich um die Pferde zu kümmern. Einen Moment standen sie ratlos da, zu erschöpft, sich noch weiter über die erzwungene Reiseunterbrechung zu empören, dann betraten sie im Gänsemarsch die überfüllte und völlig überhitzte Gaststube.
    Gleich vier Serviermädchen drängelten sich mit dampfenden Schüsseln über den Köpfen durch die teils stehenden, teils an Tischen sitzenden Gäste. Überall standen Koffer, Taschen und Körbe herum, die den auf die Nachtpost wartenden Gästen gehörten. Ein als Harlekin verkleideter Geiger spielte mitten in
dem Durcheinander heitere Volksweisen auf. Der Wirt wies ihnen eine Art Separee zu, das durch dunkle, bis unter die Decke reichende Balken vom Schankraum abgeschirmt war.
    »Für unsere besten Gäste«, hatte er ihnen mit einem Augenzwinkern zugerufen und war gleich wieder im Gedränge verschwunden, um kurz darauf, beladen mit einem Tablett dickbauchiger Weinkelche und einem Krug Pinot blanc, zurückzukehren.
    »Dann ist das wohl unser letzter Abend …« Der Perückenmacher hob traurig sein Glas. »Unsere Tochter wohnt in einem kleinen Dorf außerhalb von Straßburg. Wir mieten morgen einen Wagen, der uns zu ihr bringt.«
    »Auf Ihr Wohl!«
    Carl Bogenhausen schaute Friederike tief in die Augen. Das Braun seiner Iris bildete einen faszinierenden Kontrast zu dem dunkelblonden Haar. Wieder meinte sie, aus seinem Blick etwas anderes zu lesen als rein freundschaftliches Interesse.
    »Dann fahren Sie also morgen alle nicht mehr mit, n’est-ce pas? «, fragte die Seidenfabrikantin bedauernd in die Runde.
    »Ja, kaum trifft man nette Menschen, muss man schon wieder auseinandergehen.« Auch der Frau des Perückenmachers schien der Abschied schwerzufallen.
    Die Seidenfabrikantin kramte in ihrer Geldkatze und drückte jedem eine Geschäftskarte in die Hand. Alle Karten waren mit einem hübschen Stoffmuster beklebt.
    »Da finden Sie mich, si vous voulez. « Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
    Friederike betrachtete die von der Decke hängenden Schinken und Würste. Die Wände waren mit Zinntellern und Krügen dekoriert. Über der Theke hingen kleine Emailleschilder mit Sinnsprüchen wie »Morgenstund’ hat Gold im Mund« oder »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen«. Ein kräftiger junger Mann, wohl der Sohn des Wirts, beförderte unter dem Gejohle und Geklatsche der übrigen Gäste unsanft einen Betrunkenen vor die Tür. Die Serviermädchen
trugen schwarze, gezackte Hauben, die offenbar typisch für die Gegend waren.
    Friederike nahm einen letzten Bissen von ihrer Gänseleber. Ihr fielen fast die Augen zu, so müde war sie.
    »Es ist Zeit für mich, ins Bett zu gehen, ich kann einfach nicht mehr«, sagte sie entschuldigend in die Runde. Ihr war nicht entgangen, dass Carl Bogenhausen, der in ein angeregtes Gespräch mit dem Soldaten vertieft war, sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte. Jetzt tat er so, als müsste er ebenfalls ein Gähnen unterdrücken.
    »Ich bin auch furchtbar

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