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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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ihm nicht sagen, dass sie ihn eigentlich nur verwechselt hatte, dass sie Giovanni hatte küssen wollen, ihren Sultan, für den sie den Schleiertanz getanzt hatte.
    Er hatte ihr Zögern bemerkt und zog sie nun ein Stück näher an sich heran, sodass sich ihre Gesichter über dem Tisch fast berührten.
    »Wenn Sie es jetzt noch einmal tun, brauchen Sie mir den Grund nicht zu verraten«, lächelte er verschwörerisch.
    Unauffällig blickte sie sich in der Gaststube um. Niemand schien in dem Durcheinander auf sie zu achten, das Serviermädchen war eben erst in der Küche verschwunden. Langsam näherte sie sich Carl Bogenhausen und legte zaghaft ihre Lippen auf die seinen.
    Und schon spürte sie, wie sein Mund von ihr Besitz nahm und seine Hände seitlich ihren Oberkörper umfassten, sodass seine Fingerspitzen ihren Brustansatz berührten.
    »Friederike!« Carl Bogenhausen atmete schwer, als er sie endlich losließ. »Du machst mich verrückt. Man könnte sogar sagen, du hast mir den Kopf verdreht. Seit ich dich kenne, wollte ich nichts anderes, als dich zu küssen und dich zu berühren, überall, am ganzen Körper … Aber es ging ja nicht!«, lachte er nun frei heraus. »Diese Nacht mit dir in Hanau, in dem engen Bett: Schon damals habe ich angefangen, an mir zu zweifeln.«
    Wieder lachte er. Dann wurde sein Blick dunkel.
    »Friederike, musst du wirklich schon heute weiterfahren? Oder versprichst du, mir noch eine Nacht zu schenken - ich meine, eine richtige Nacht?«
    Friederike wurde es heiß. Sie musste aus der engen Gaststube hinaus, nach draußen an die frische Luft. Sie brauchte Zeit, um ihre Gedanken zu sortieren, um herauszufinden, was sie eigentlich wollte. Eine solche Frage konnte man nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten - zu viel stand auf dem Spiel.
    Carl Bogenhausen schien zu verstehen, was in ihr vorging;
auch er war aufgestanden und reichte ihr schweigend ihren Mantel.
    Draußen im Hof herrschte ein noch bunteres Treiben als im Inneren der Schenke. Wohin man auch schaute, überall waren Kutschen, Pferde, Strohballen, Wassereimer, Gepäckstücke, Männer in Postuniform und Reisende allein oder in Grüppchen, die kamen und gingen. Wortlos nahm er sie bei der Hand. Mitten durch das Durcheinander führte er sie quer über den Hof, bis hinein in eine dunkle Ecke unter dem Dach. Ein kurzer kontrollierender Blick, dann zog er sie hinter einen Stapel Holz.
    Sie wollte etwas sagen, sich gegen diesen Überfall wehren, doch da hatte er ihr auch schon die Lippen mit einem Kuss verschlossen. Sie spürte, wie seine Zunge ihren Mund erkundete, wie seine Erregung auf sie überging und auch sie allmählich vom Taumel der Gefühle gepackt wurde. Seine Hände fuhren unter ihren Mantel, nestelten ungeduldig an ihrem Justeaucorps, als wollte er schon jetzt das Versprechen einlösen, das sie ihm noch gar nicht gegeben hatte.
    Doch sie würde es ihm geben, das wusste sie nun. Sie würde ihm eine Nacht schenken, leichten und frohen Herzens, eine richtige Nacht.
     
    D er Wirt hatte ihnen eine offene Kalesche besorgt, die zwar schon einmal bessere Tage gesehen hatte, sie aber dennoch sicher durch das alte Gerberviertel zu dem mächtigen Münster brachte. Rötlich schimmernd hob sich der kunstvoll gemeißelte Sandstein gegen den blauen Himmel ab. Seite an Seite mit Carl Bogenhausen saß Friederike unter dem muffigen Plaid und bestaunte die Fachwerkhäuser mit ihren reichen Schnitzfassaden und steilen Dächern rund um das Münster.
    Sie fühlte sich wohlig und aufgehoben. An ihrer Seite saß der Mann, dem sie vom ersten Moment ihrer Bekanntschaft an vertraut hatte und mit dem sie sich in jeglicher Hinsicht gut verstand. Ein Mann aus gutem Hause, mit Manieren und Prinzipien,
ein Mann wie aus der Vorstellungswelt ihrer Mutter, ehrlich, reich und gut beleumundet, jemand, auf den sie wohl auch in Zukunft bauen konnte, wenn sie wollte.
    Wollte sie denn? Friederike fröstelte mit einem Mal. Bisher war es ihr gelungen, jeden Gedanken an Giovanni zu unterdrücken, doch nun war er plötzlich wieder da, wieder in ihrem Kopf. Giovanni - ja, sie würde ihm untreu werden, bald schon, sie würde sich einem anderen Mann hingeben, mit einem anderen die Leidenschaft teilen, die sie mit ihm so intensiv erlebt hatte, so ausschließlich, wie sie vermeinte. Doch konnte man hier wirklich von Betrug sprechen? Schließlich war sie durch nichts an Giovanni gebunden, sie war weder mit ihm verlobt noch verheiratet, ja, sie wusste nicht einmal, wo er

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