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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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auf die Reise zu begeben. Also verzichten wir auf die Honneurs, Messieurs, einverstanden?«
    Für einen Mann seines Standes war Louis XV. in der Tat einfach gekleidet. Er hatte sogar auf seine Perücke verzichtet und
trug die braunen Locken zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Der perfekte Schnitt seines Rocks aus dem schimmernden dunkelvioletten Wollstoff verriet jedoch einen ausgezeichneten Schneider und einen erlesenen Kleidergeschmack.
    Ob die Pompadour da ihre Finger im Spiel hatte?, fragte sich Friederike unwillkürlich. Sie hatte bei jeder ihrer Begegnungen in den letzten Wochen gedacht, dass diese Frau einfach die Stilsicherheit in Person war. Stets nach dem letzten Schrei und in die edelsten Materialien gewandet, hatte sie jedoch nie ausstaffiert oder dem Anlass nicht angemessen gekleidet gewirkt. Ganz im Gegensatz zu Mathilde Leclerc, diesem affektierten Püppchen, hatte Friederike mit zunehmendem Groll Carl Bogenhausen gegenüber gedacht. Ihre Gedanken an den Frankfurter Kaufmann waren zwar noch immer von Sehnsucht erfüllt, aber je länger ihre Straßburger Liebesnächte zurücklagen, desto weniger verklärt betrachtete sie ihn. Natürlich, er war gewissen Zwängen unterworfen, ganz erheblichen sogar, aber wenn er es wirklich ernst mit ihr gemeint hatte oder sei es auch nur in alter Verbundenheit als ihr Lebensretter, hätte er sich doch wenigstens mit einer kurzen Notiz bei ihr zurückmelden können. Oder hatte ihr unglücklich verlaufenes Gespräch übers Heiraten ihn so verschreckt, dass er lieber von vorneherein einen Rückzieher gemacht hatte?
    Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass der König bei seinem Rundgang durch die Malerstube an ihrem Tisch stehen geblieben war. Erst das Hüsteln Boileaus brachte sie zur Besinnung. Als sie von der Vase aufsah, auf die sie lustlos ein paar gelbe Streublümchen gepinselt hatte, schaute sie genau in das lächelnde Gesicht Louis’ XV. Trotz seines Kummers über den Tod seiner wenige Wochen zuvor verstorbenen Tochter Anne-Henriette, die mit vierundzwanzig Jahren einer Blatterninfektion erlegen war, wirkte er heiter und gelöst.
    »Sie sind also der junge Mann, dem ich diese wunderschöne blaue Zuckerdose verdanke«, schmunzelte er. »Die Marquise
hat mir erzählt, dass ihr Schöpfer gar keiner von uns, sondern ein Meißener gewesen sei. Sie hat mir im Übrigen in den höchsten Tönen von Ihnen vorgeschwärmt!«
    Die Zuckerdose gehörte zu den Stücken, die Friederike an Obermaler Bachelier vorbei angefertigt hatte, eine Auftragsarbeit der Pompadour. Die Marquise hatte sie gebeten, frei nach ihrem Lieblingsmaler Boucher ein Landschaftsmotiv auf blauem Fond mit einer goldenen Umrahmung zu variieren. Der Einzige, der noch von ihrem geheimen Pakt gewusst hatte, war François Gravant gewesen, der Friederike sowohl den Rohling als auch die blaue Farbe beschafft hatte. An seinem Küchentisch hatte sie sorgsam und in mehreren Schichten die Farbe aufgetragen, die François zuvor in einem äußerst langwierigen Prozess gewonnen hatte. Er hatte Fulvys Lapislazuli dafür geopfert und tagelang an einer Art Teig herumgeknetet, in den er neben dem zermahlenen Stein auch noch Harz, Wachs und Leinöl hineingerührt hatte. Warum die Pompadour niemanden sonst in ihr Geheimnis um die blaue Zuckerdose eingeweiht hatte, war sowohl Friederike als auch François schleierhaft gewesen.
    »Vielleicht traut sie Bachelier nicht mehr so wie früher«, hatte Letzterer gemutmaßt. »Ich weiß, dass sie fürchterliche Angst davor hat, ausspioniert und verraten zu werden. Das ist geradezu eine Manie von ihr«, hatte er kopfschüttelnd hinzugefügt und weiter andächtig in seiner blauen Paste herumgerührt.
    Friederike war froh gewesen, dass er ihr nicht ins Gesicht geschaut hatte - vor ihm und seiner Frau schämte sie sich besonders für ihren Betrug.
    »Du scheinst ja nicht gerade stolz auf dein Werk zu sein! Statt dich zu freuen, dass die Marquise dich damit betraut hat und es dem König noch dazu so gut gefällt …«, bemerkte der junge Sioux harmlos.
    Am liebsten wäre sie ihm an den Hals gesprungen. Musste dieser Dummkopf sie vor allen anderen so bloßstellen? Bachelier würde ihr bestimmt nie verzeihen. Und der Marquise war es
sicher auch nicht recht, dass nun die ganze Manufaktur von ihrer geheimen Sonderproduktion erfahren hatte …
    Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, als ihr Blick zufällig auf den Obermaler fiel. Zu ihrer Überraschung schien Bachelier jedoch ganz und gar

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