Die Porzellanmalerin
der Farbe hängt auch vom Untergrund ab, auf den sie aufgetragen wird. Unser Frittenporzellan ist nun einmal sehr weich, es könnte also gut sein, dass ein kaolinhaltiges Porzellan wie eures die Farbe ganz anders annimmt und sich weniger gut mit ihr verbindet. Außerdem, aber das weißt du ja selbst, hängt das Farbergebnis immer vom Brand ab - je nach Temperatur und Dauer bekommt man die unterschiedlichsten Ergebnisse.«
Er hatte ihr zugezwinkert, wie um ihr zu bedeuten, dass er ihre scheinbar harmlose Fragerei durchschaute, und ihr herzlich
eine gute Reise und die »allerreizendsten Damenbekanntschaften« beim Kostümball gewünscht.
Friederike hatte seine Bemerkung zuerst gar nicht verstanden, dann aber, als sie sein Grinsen bemerkt hatte, war sie zu ihrem heimlichen Ärger dunkelrot angelaufen.
»Steht dir gut, dieses kräftige Purpur!«, hatte François herzhaft lachend gesagt und ihr einen Klaps auf die Schulter versetzt. »Nichts für ungut, alter Junge, aber es wird höchste Zeit, dass du dir die Hörner abstößt. Sogar Henriette ist der Meinung, du solltest dich mal etwas näher mit dem weiblichen Geschlecht befassen, statt von morgens bis abends diese dummen Scherben hier zu bemalen. Ich glaube fast, vor lauter Sitzen und wegen der guten französischen Küche hast du in den letzten Wochen ordentlich zugelegt - kann das sein?« Sein Blick war prüfend über ihren Körper geglitten. »Du wirst sehen, wenn du deine Männlichkeit erst mal erprobt hast, werden die weichen Pölsterchen von ganz alleine wieder verschwinden.«
Friederike war sich da nicht so sicher. Auch jetzt in der Kutsche kämpfte sie schon wieder gegen die Übelkeit. Seit jenem Abendessen bei den Gravants, als sie Henriettes Blutwurstgericht nicht vertragen hatte, nistete ein unheimlicher Verdacht in ihrem Hinterkopf. Bisher hatte sie es tunlichst vermieden, ihn an die Oberfläche ihres Bewusstseins dringen zu lassen, aber allein die Tatsache, dass sie ihre Blutungen schon seit mehreren Wochen nicht bekommen hatte, war eigentlich Hinweis genug. Einmal ganz abgesehen von diesem ständigen morgendlichen Brechreiz. Sie war schwanger, kein Zweifel, sie trug Carls Kind unter dem Herzen; es hatte keinen Sinn, wenn sie sich weiterhin etwas vormachte. Bald vier Monate war es jetzt her, dass sie sich in Straßburg getroffen und geliebt hatten. Wie dumm sie gewesen war, sich von Carls plötzlicher Leidenschaft mitreißen zu lassen und nicht eine Sekunde lang darüber nachzudenken, dass zwei erwachsene Menschen, die miteinander ins Bett gingen, ganz schnell einen dritten kleinen Menschen erzeugen konnten!
Anna und ihr Töchterchen hätten ihr Beispiel genug für diese Möglichkeit und Gefahr sein müssen. Ein Wunder, dass sie nicht schon von Giovanni schwanger geworden war.
Sie lehnte den Kopf gegen die Scheibe. Die Augen hielt sie vorsichtshalber geschlossen, um so wenig Sinneseindrücke wie möglich von der Kutschfahrt und dem mit Sicherheit höchst faszinierenden Anblick der Pariser Bauten, Alleen und Plätze mitzubekommen und auf diese Weise ihr Schwindelgefühl in Grenzen zu halten. Am liebsten hätte sie sich auch noch die Finger in die Ohren gestopft, um das Geplapper ihrer Mitreisenden nicht mit anhören zu müssen, aber das wäre wohl ein zu großer Affront gewesen. Ständig gaben die beiden Damen, offenbar ein Schwesternpärchen aus Brüssel, das von einem schweigsamen älteren Herrn begleitet wurde - ihr gemeinsamer Verlobter? -, abwechselnd grelle Entzückensschreie von sich. Auch sie hätte gern mehr von der Stadt gesehen, aber sie wusste genau: Wenn sie jetzt die Augen öffnete und aus dem Fenster blickte, würde sie sich sofort übergeben müssen.
Sie legte die Hand auf ihren Bauch. Eine leichte Rundung war bereits zu spüren, bildete sie sich ein. Jedenfalls spannten ihre Hosen schon seit Längerem. Und auch ihre Brüste schmerzten empfindlich, insbesondere wenn sie, wie jetzt in der Kutsche, ruckartigen Bewegungen ausgesetzt waren. Was Carl wohl dazu sagen würde, wenn sie ihm eröffnete, dass sie ein Kind von ihm erwartete? Wenn sie es ihm überhaupt sagen sollte. Sie hatte noch immer nichts von ihm gehört, und mit jedem Tag, der verging, schwand ein Stückchen Hoffnung dahin. Wahrscheinlich würde Carl auf eine solche Neuigkeit noch viel entsetzter reagieren als auf ihren unziemlichen Kuss im Gewürzspeicher, als er sie noch für einen Mann gehalten hatte, überlegte sie mit aufsteigender Panik. Sein Ruf, seine Familie, seine
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