Die Porzellanmalerin
…«
Er suchte ihren Blick. Sein Ausdruck zeigte jetzt nichts Verlorenes mehr, sein Gesicht wirkte klar und konzentriert.
»Du erinnerst dich, bei unserer ersten Begegnung trug ich einen anderen Namen - wie du.« Er lachte leise und schüttelte
den Kopf. »Aber aus anderen Gründen. Und leider war ich auch nicht so erfolgreich in meiner Mission wie du.« Seine Stimme wurde wieder ernst. »Hast du schon einmal von der Loge ›Zur Freiheit‹ gehört?«
Als sie den Kopf schüttelte, fuhr er fort:
»Vor etwa zehn Jahren, im Zuge der Krönung Karls VII., haben sich ein paar Kaufleute, Gelehrte, Künstler und Vertreter sonstiger Berufe zusammengetan und diese Loge gegründet. Ihre Ziele waren nicht zuletzt der Einsatz für die Achtung politisch und religiös Andersdenkender, die Wahrung der Menschenwürde und die Beförderung des Fortschritts. Mein Vater war einer der Gründungsväter, nach seinem Tod wurden sowohl Emanuel als auch ich aufgenommen, sozusagen in Vertretung für ihn, obwohl wir beide noch sehr jung waren. Seit Ende 1746 haben sich die Logenmitglieder nun schon nicht mehr getroffen - offiziell. Es sei nicht genug Geld da, den Betrieb aufrechtzuerhalten, hatte es damals geheißen. Unter der Hand laufen jedoch schon seit einiger Zeit wieder Bestrebungen, die Loge neu aufleben zu lassen. Das Problem ist aber: Die Männer, die hier mittlerweile federführend sind, vertreten die alten Ideale nicht mehr, insbesondere was die Achtung religiös Andersdenkender betrifft, namentlich der Juden … sagt dir die Zeitschrift L’Avant Coureur etwas? Ein Freund von mir, Josef Kornfeld, seines Zeichens Jude, ist für dieses Blatt zuständig … ja, stimmt, du hast ihn kennengelernt, damals im ›Lachenden Abessinier‹«, unterbrach er sich, als er eine Regung in ihrem Gesicht bemerkte. »Ich bin auch nicht immer einer Meinung mit Josef, manchmal schießt er wirklich übers Ziel hinaus. Aber im Prinzip hat der Mann recht. So wie der Rat die Juden behandelt, wie überhaupt jeder Andersdenkende oder auch -gläubige in dieser sogenannten freien Reichsstadt behandelt wird, ist ein Skandal!«
Aufrichtige Empörung schwang in seiner Stimme mit, er hatte seine Hände aus der Umarmung gelöst und gestikulierte wild in der Luft herum. Winzige Staubkörnchen wirbelten auf und
tanzten in dem schmalen Zwischenraum, der ihre Körper voneinander trennte, einen aufgeregten Reigen. Der Sonnenstrahl zeigte nun genau auf seinen Adamsapfel, der sich bewegte, während er sprach.
»Als mir klar wurde, dass meine alte Loge anfing, in dasselbe Horn zu stoßen - natürlich immer schön im Verborgenen, offiziell gab es sie ja gar nicht mehr -, habe ich Kontakt zu einigen Leuten aufgenommen, die vom Rat aus der Stadt verbannt worden waren und nun vom Exil aus versuchten, eine neue Loge zu gründen. Eine Loge, die tatsächlich den Idealen der Freimaurer entspricht! Du erinnerst dich, ich war damals nach Norden unterwegs, als ich dich aus den Klauen dieser Wegelagerer befreite …«
Er grinste kurz in Erinnerung ihrer ersten denkwürdigen Begegnung, dann verdüsterte sich seine Miene wieder.
»Mein Bruder ist dahintergekommen; irgendjemand muss ihn nach meiner Rückkehr aus Straßburg - wohin ich natürlich in derselben geheimen Mission unterwegs war - informiert haben, womit ich mich neben meiner üblichen Arbeit sonst noch so beschäftige. Du hättest die Szene erleben müssen, die er mir gemacht hat! Abgekanzelt wie einen kleinen Jungen hat er mich! Er hat mir sogar gedroht, mich beim Rat zu verpfeifen - mich, seinen eigenen Bruder! Du hast vielleicht davon gehört: Der Vatikan hat letztes Jahr schon wieder eine Bulle herausgebracht, in der die Freimaurerei aufs Schärfste verurteilt wird. Und nicht nur die Freimaurer selbst, sondern eben auch die Mitwisser werden neuerdings massiv unter Strafandrohung gestellt, bis hin zur Todesstrafe - wenn auch vorerst nur in den päpstlichen Gebieten wie Spanien oder Portugal. Aber wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Welle auch zu uns herüberschwappt.«
Wütend stieß er seine Schuhspitze in die breite Rille zwischen den grob geschliffenen Bohlen unter seinen Füßen. Erneut wirbelte der Staub auf.
»Ich bin also nicht nur materiell von meinem Bruder abhängig, sondern er hat mich auch insofern in der Hand, als er mich ins Gefängnis bringen kann, wenn er will. Natürlich behauptet er, ihm ginge es nur darum, die Familie zu schützen. Schließlich hätte er als ihr Oberhaupt
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