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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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einmal für nötig befunden, meine Briefe zu beantworten! Nachdem du mich zu deiner Geliebten gemacht hast! Was ist das für eine Art, frage ich dich! Von jemandem, der aus deinen ›Kreisen‹ stammt, wie du so schön sagst, hätte ich mir mehr erwartet. Vor allem mehr Mut. Du bist ein Feigling, Carl Bogenhausen, ein Drückeberger und ein mieser kleiner Feigling!«
    Mit einem prüfenden Blick in sein Gesicht vergewisserte sie sich, dass er ihre Worte wirklich gehört hatte. Er starrte an ihr vorbei zu Boden. Seine Haltung signalisierte noch immer Unbeugsamkeit. Aber an dem Zucken seiner Kiefernmuskeln konnte sie sehen, dass seine glatte Fassade allmählich Risse bekam.
    »Ich frage dich jetzt zum ersten und letzten Mal«, fuhr sie
mit zunehmender Lautstärke fort, »ob du dieser Rolle, deiner Rolle als Erzeuger des Kindes in meinem Bauch, gerecht werden willst - oder ob du es vorziehst, mich und deinen Sohn nie wieder in deinem Leben zu sehen!«
    Sie fühlte sich, als wäre sie die weibliche Hauptfigur einer antiken Tragödie. Die Hände in die Seiten gestützt, hatte sie ihre Worte mit einer solchen Verve hervorgestoßen, dass ihr fast die Luft weggeblieben war. So hatte sie sich ihr Wiedersehen mit Carl nicht vorgestellt! Es war seine Schuld, dass die Sache aus dem Ruder gelaufen war, nicht ihre. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie ihm alles ganz ruhig erklärt und sich ebenso ruhig und abwartend seiner Reaktion gestellt.
    »Nun? Ich warte, Carl Bogenhausen! Zumindest eine Antwort bist du mir schuldig.«
    Sie spürte erst jetzt, wie ihr Puls raste. Und auch das Stechen in ihrem Unterleib war wieder da. Es durchfuhr sie mit einer solchen Heftigkeit, dass sie aufstöhnte und sich die Hand in die Flanke presste.
    »Friederike!«
    Mit einem Satz war Carl neben ihr, beide Hände ausgestreckt, um sie zu stützen. Sein Gesichtsausdruck hatte sich völlig verändert; Besorgnis und noch etwas anderes, das sie nicht zu deuten wusste, zeichneten sich auf seinen Zügen ab. Er half ihr, sich auf einem Reissack niederzulassen, der in der Ecke stand, und hielt ihr sein blütenweißes Taschentuch entgegen, damit sie sich den Schweiß von der Stirn abtupfen konnte. Schweigend blickte er auf sie herab.
    »Ein Sohn, sagtest du, ein Sohn?«, fragte er tonlos, als ihr Atem wieder regelmäßig ging. »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es einfach, Carl, genügt dir das nicht?« Müde blickte sie zu ihm auf. »Aber das spielt ja nun sowieso keine Rolle mehr. Leb wohl, Carl, ich werde jetzt gehen.«
    Sie erhob sich schwerfällig, als Carl plötzlich seine Arme um ihre Hüften schlang, um sie festzuhalten. Als wäre er ein Ertrinkender
und sie der rettende Baumstamm in den Fluten, hielt er sie eng umklammert. Endlich, nach einer langen Weile schob er sie ein Stückchen von sich weg und sah ihr, ohne ihre Schultern loszulassen, direkt in die Augen.
    »Es tut mir leid, Friederike. Ob du mir noch einmal verzeihen kannst? Es tut mir unendlich leid, dass ich mich so schroff verhalten habe. Aber ich stand völlig unter Schock, als ich dich so plötzlich vor mir sah, noch dazu mit dickem Bauch.«
    Bereitwillig ließ sie geschehen, dass er wieder die Arme um sie legte und sie an sich zog. Ein Sonnenstrahl drang von irgendwoher in den dämmerigen Raum und brach sich in seinen Augen. Ob er überhaupt noch etwas sieht?, fragte sie sich unwillkürlich. Doch zugleich spürte sie die Bedeutung dieses Moments, die Aufrichtigkeit, die er plötzlich zeigte.
    »Natürlich werden wir heiraten, Friederike, aber versteh bitte, dass diese Entscheidung für mich nicht so einfach ist. Ich weiß nicht, wie viel du dir schon zusammengereimt hast - ich bin sicher, du ahnst mehr, als ich dir bisher erzählt habe.«
    Er seufzte und zog sie unwillkürlich ein wenig enger an sich.
    »Du hast meinen Bruder erlebt, du weißt, er ist der Ältere von uns beiden, ihm gehört der ganze Bogenhausen’sche Besitz. Mein Vater hat ihm alles vererbt. Das ist bei den Bogenhausens so, der Älteste bekommt alles, die jüngeren Geschwister werden mit einem mageren Auskommen abgespeist, damit sie nicht in Armut leben müssen und der Familie Schande machen. Wenn sie etwas werden, wenn sie ihren Platz in der Frankfurter Gesellschaft behaupten oder überhaupt erst erwerben wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich entweder dem ältesten Sohn zu unterwerfen oder sich völlig von ihm und der Familie loszusagen. Du kannst dir vorstellen, dass beides nicht so einfach ist

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