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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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unschlüssig, was er tun, wie er sich verhalten sollte.
    Sie hob den Kopf, aber nun blickte sie an ihm vorbei auf den orangefarbenen Sonnenfleck an der Wand, der jetzt fast das Regal mit den zahllosen Schubladen voller Gewürze erreicht hatte. Die Luft war schwer und roch nach Vanille und Zimt. Giovanni, wo war er? Was tat er gerade?
    Friederike biss sich auf die Unterlippe. Sie schloss die Augen, stützte die Ellbogen auf die Knie, den Kopf auf die Fäuste. Giovanni, Geliebter, wo bist du, warum bist du nicht hier, bei mir, warum sagst du mir nicht, was ich tun soll …
    Tief atmete sie ein und aus, die Augen noch immer geschlossen, den süßlichen Duft inhalierend, ganz allmählich zur Ruhe kommend.

    Einem merkwürdigen Impuls folgend, den sie sich selbst nicht erklären konnte, straffte sie schließlich den Oberkörper und richtete sich auf. Ihre Hände fuhren zu ihrem Dekolleté und begannen die schier endlos erscheinende Knopfreihe an ihrem Kleid aufzuknöpfen und die Haken unter dem darunterliegenden Mieder zu lösen, bis ihre Brust frei lag, bis ihr Bauch weiß und dick und glänzend aus dem dunklen Stoff hervordrang.
    »Hier, Carl - dein Kind …«
    Sie konnte hören, wie blechern ihre Stimme klang. Ihr Blick war zu dem Mann ihr gegenüber gewandert, aber noch immer schaute sie ihm nicht in die Augen, sondern auf seinen Adamsapfel, der bebte und vibrierte, als wäre er ein nervöses Tier.
    Eine Ewigkeit verharrten sie beide schweigend in dieser Stellung - sie halb nackt, fast liegend auf dem Reissack, er dicht vor ihr stehend und auf sie hinuntersehend, mit einem Gesichtsausdruck, in dem sich Andacht und Faszination und Verlangen mischten. Schließlich ging Carl ganz langsam vor ihr in die Knie. Vorsichtig legte er den Kopf auf ihren Bauch, sodass seine Wange sich an ihre nackte Haut schmiegte. Seine Arme umfassten ihre Hüften.
    »Mein Sohn, hast du gesagt«, flüsterte er. »Mein Sohn …«
    Er hob den Kopf und sah sie an. Endlich trafen sich ihre Blicke. Sie legte die Hände um seinen Hinterkopf, ihre Finger gruben sich in seine Haare.
    »Carl …« Auch sie sprach leise, als traute sie ihrer Stimme nicht. »Ich möchte gern deine Frau werden. Ich weiß, du …«
    Ein lautes Poltern, das von oberhalb der Treppe zu ihnen hinunterschallte, dicht gefolgt von schweren Schritten auf frei schwebenden Holzplanken, ließ sie verstummen.
    »Carl!«, ertönte eine wütende Männerstimme. »Carl, was ist hier los? Wo bist du? Was fällt dir …?«
    Die Schritte über ihren Köpfen brachen ab.
    Friederike und Carl blickten gleichzeitig zur Treppe hinauf. Der Mann, der auf der obersten Stufe stehen geblieben war, hatte
ein zornrot gefärbtes Gesicht. Sein Mund stand offen, die Augen quollen aus ihren Höhlen.
    Langsam richtete sich Carl aus seiner knienden Haltung auf. Er wirkte wie ausgewechselt, eine seltsame Unbeteiligtheit ging von ihm aus. Seelenruhig klopfte er sich den Staub von der Hose. Dann erst reichte er Friederike die Hand.
    Auch sie erhob sich nun. Das Kleid klaffte über ihrem nackten Oberkörper auf. Sie achtete nicht weiter darauf, als sie an Carls Hand auf die schmale Treppe zuging, die nach oben zum Comptoir führte. Sie fühlte sich erschöpft und leer, aber zugleich auch stark. Kurz vor dem Treppenabsatz blieben sie stehen.
    »Darf ich vorstellen«, sagte Carl so formvollendet, als befänden sie sich bei einem gesellschaftlichen Ereignis. »Mein Bruder Emanuel« - er zeigte mit der freien Hand nach oben - »und meine künftige Frau Friederike Simons, die Mutter meines Sohnes.«
    Er hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Seine andere Hand fuhr sanft über ihren nackten Bauch, der in dem Dämmerlicht des Gewürzlagers cremefarben schimmerte. Er achtete nicht weiter auf seinen Bruder, sondern spürte traumverloren den kaum merklichen Schwingungen in ihrem Leib nach.
    »Mein Sohn«, murmelte er. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen.
    Friederike hatte den Kopf gehoben. Sie hatte Ablehnung erwartet, hasserfüllte Blicke oder üble Beschimpfungen. Stattdessen sah sie einen Mann, der ihr wie besiegt erschien.
    Die Farbe war aus Emanuel Bogenhausens Gesicht gewichen. Seine Augen glänzten fiebrig, als sie ihren nackten Körper abtasteten. Immer wieder wanderte sein Blick von ihrem Gesicht zu ihrem Bauch hinunter.
    »Ich kenne Sie …«, brachte er schließlich fast keuchend hervor. »Ich kenne Sie, irgendwoher kenne ich Sie …«
    Sie hatte schon den Mund geöffnet, um ihn an ihre letzte Begegnung in der

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