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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Kinn begann leicht zu zittern.
    »Nun geh schon, lass uns allein! Hast du nicht verstanden, was ich gesagt habe? Lass uns allein!«
    Sein Ton hatte nun gar nichts Verbindliches mehr.
    Friederike musste an seinen Bruder Emanuel denken und die Gardinenpredigt, die dieser seinerzeit dem Jüngeren am selben Ort gehalten hatte. Sie wagte nicht, Mathilde ins Gesicht zu schauen, aus Angst, auch noch ihre Tränen mit ansehen zu müssen.
    Mit einem großen Schritt war Carl plötzlich neben ihr und packte sie am Arm. Ohne seiner Verlobten noch einen Blick zu gönnen, zog er sie mit sich ins Comptoir. Friederike wäre fast gestolpert, so überrascht war sie von seinem Vorstoß. Doch Carl schien weder auf ihren schwangeren Zustand noch auf ihren zaghaften Protest Rücksicht nehmen zu wollen. Türenschlagend stürmte er an seinen beiden Angestellten vorbei, die bei ihrem Eintreten vom Fenster zurückgewichen und in Habachtstellung gegangen waren. Friederike noch immer im Schlepptau, polterte er durch die zweite Tür, die schmale Holztreppe hinunter ins Magazin. Erst als sie unten in der letzten Ecke des großen Raumes angelangt waren, vorbei an den hohen Apothekerschränken mit den vielen kleinen Schubladen, in denen die Gewürze aus aller Welt lagerten und ihre aufregenden Gerüche verströmten,
vorbei an den groben Säcken voller Kaffee, Reis und Hülsenfrüchten, blieb er stehen und ließ ihren Arm los.
    »Ist das Kind von mir?«, blaffte er sie an. Seine Brust hob und senkte sich in schneller Folge, sein Atem keuchte.
    »Wie bitte?«
    Friederike glaubte ihren Ohren nicht zu trauen.
    »Ob du mein Kind da austrägst, will ich wissen!«
    Er blickte sie nicht an, seine Augen fixierten einen Schrank mit lauter kleinen Schubfächern hinter ihr. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, das Gewicht auf ein Bein verlagert und tippte mit dem anderen Fuß ungeduldig auf den Fußboden.
    »Was meinst du wohl, warum ich hier bin, Carl Bogenhausen? Denkst du etwa, ich käme zu dir, wenn ich das Kind eines anderen im Bauch hätte?«, fragte sie nach außen hin völlig ruhig. Doch sie merkte,wie es in ihrem Inneren allmählich zu brodeln begann.
    »Weißt du eigentlich, in was für eine Lage du mich gebracht hast, indem du hier einfach so aufgekreuzt bist? Wenn Mathilde etwas gemerkt hätte! Oder mein Bruder! Du scheinst vergessen zu haben, in welchen Kreisen du dich bewegst!«
    Ein hochmütiger Ausdruck war auf sein Gesicht getreten. Noch immer schaute er an ihr vorbei.
    Friederike kam sich vor wie in einer Schmierenkomödie. Das war ihr Carl? Der Mann, mit dem sie in Straßburg drei so innige Tage verbracht hatte, jene drei Tage, in deren Verlauf ihr gemeinsames Kind gezeugt worden war? Dieses winzige, noch unfertige Wesen, das aber schon jetzt, lange Wochen vor seiner Geburt, so viel Platz in ihrer Gedankenwelt einnahm … Sie konnte es nicht glauben. Am liebsten wäre sie aufgestanden und gegangen. Wortlos. Und hätte für den Rest ihrer Tage jeglichen Kontakt mit ihm verweigert.
    Aber sie musste an das Kind denken, riss sie sich zusammen. Ihm war sie es schuldig, dass sie jetzt nicht den Kopf verlor. Und natürlich würde es auch für sie selbst besser sein, wenn sie ihren
Stolz hinunterschluckte und noch einmal vernünftig mit ihm zu reden versuchte. Sich mit einem Säugling, aber ohne Mann und Geld durchzuschlagen war kein Vergnügen, das hatte Anna ihr deutlich genug vor Augen geführt. Die immerhin noch ihre Nachbarin hatte, die sich um das Kind kümmerte, und keine Skrupel kannte, sich jedem erstbesten Kerl, der ihr über den Weg lief, an den Hals zu werfen. Aber sie hatte keine Nachbarin, die ihr zur Seite stehen würde. Und wenn es überhaupt noch einmal einen Mann in ihrem Leben geben würde, dem sie ihre Liebe schenkte, dann wäre das Giovanni, den jemals wiederzusehen sie freilich kaum zu hoffen wagte.
    »Die Lage, in die ich dich hätte bringen können , lieber Carl!«
    Sie hatte nun ebenfalls die Arme vor der Brust verschränkt. Ihre Stimme zitterte vor unterdrückter Wut.
    »Deine reizende Verlobte hat nichts gemerkt, weil ich Theater gespielt habe, damit sie nichts merkt - das dürftest du doch wohl mitbekommen haben! Abgesehen davon ist mir deine persönliche Befindlichkeit im Moment ziemlich egal. Im Gegensatz zu dem Kind in meinem Bauch. Deinem Kind! Ich will, dass dieses Kind einen Vater hat. Dass es versorgt ist. Nur aus dem Grund bin ich hier. Nicht deinetwegen!« Bitter lachte sie auf. »Du hast es ja noch nicht

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