Die Porzellanmalerin
sie würde den jungen Porzellanmaler von der Frühjahrsmesse wieder erkennen. Aber ihren Frauennamen preiszugeben, wäre sicher genauso gefährlich; man konnte nie wissen, wer in dieser kleinen Welt über wen tratschte und wer wessen Namen schon einmal gehört hatte.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich zwei nur schemenhaft zu erkennende Silhouetten hinter der Fensterscheibe des Comptoirs die Nase platt drückten. Der dicke Commis und der blonde Lehrling, dachte sie mechanisch. Plötzlich musste sie an Josefine denken. Sie hätte sich vor Lachen sicher schon am Boden gewälzt, wenn sie Zeugin dieser Szene geworden wäre.
»… äh, mein Name ist Josefine Heller, ich komme gerade aus Frankreich und bin auf dem Weg nach Hanau, da dachte ich mir, Sie würden sich bestimmt für den Stand Ihres Auftrags interessieren, und habe spontan beschlossen, hier in Frankfurt Station zu machen …«
Sie holte tief Luft. Erleichtert strahlte sie Carl an. Allmählich begann die Komödie ihr Spaß zu machen. Sie musste nur aufhören, an Josefine zu denken, sonst war es mit ihrer Beherrschung gleich vorbei.
»Leider habe ich es nicht mehr geschafft, Ihnen mein Kommen anzukündigen, Herr Bogenhausen«, fuhr sie bemüht ernsthaft fort. »Sie müssen wissen, es ging in den letzten Wochen ziemlich hoch her bei mir. Ich hoffe, Sie können mir noch einmal verzeihen. Ich hatte wirklich keine freie Minute, all diese Aufträge, die wir zu erledigen hatten … Na ja, und Sie sehen ja, ich meine, in meinem Zustand … nun, da ist alles etwas … wie soll ich sagen, anstrengend … und wissen Sie, die viele Arbeit …«
Nicht mit einem Wimpernschlag verriet die versteinerte Miene Carl Bogenhausens, was in ihm vorging. Noch immer stand er nur knapp zwei Schritt von ihr entfernt, die Hände in den Taschen seines Rocks vergraben, die Schultern hochgezogen, die Knie durchgedrückt.
»Also, diese geschäftlichen Dinge interessieren mich nicht! Dann lasse ich euch lieber allein und fahre noch ein wenig spazieren«, erlöste Mathilde Friederike von ihrem Gestammel.
Sie machte Anstalten, die Kutsche erneut zu besteigen; ihren kleinen Fuß hatte sie bereits auf das Trittbrett gesetzt und die mit einem schlichten Diamantring geschmückte Hand auf den Türgriff gelegt.
»Es sei denn«, zwitscherte sie, »es handelt sich um Geschirr, das du für unser neues Zuhause bestellt hast, Liebling.«
Mit zuckersüßem Lächeln an Friederike gewandt, sagte sie:
»Wir heiraten nämlich bald, müssen Sie wissen, Frau Heller, aber das hat mein Verlobter Ihnen sicher schon in Straßburg erzählt. Wir können es ja beide kaum mehr erwarten, endlich Mann und Frau zu werden und unser eigenes Heim zu beziehen. Nicht wahr, Liebster?«
Sie hatte den Kopf ein wenig zur Seite gelegt und himmelte den noch immer schweigsamen Carl aus ihren großen, hellblauen Augen an. Wie sie dort stand, den einen Fuß auf dem Trittbrett, den anderen in der Luft, mit ihren von einem Blumenreif gebändigten blonden Locken, dem bestickten weißen Rock und dem hochgeschlossenen Mieder unter dem Sommermanteau, den eine frische Brise lustig aufblähte, sah sie wirklich aus wie ein Feenwesen. Friederike kam sich mit ihrem dunklen, den dicken Bauch nur notdürftig verbergenden Kleid und der strengen Hochfrisur, auf die sie am Morgen noch so viel Mühe verwendet hatte, wie eine steife Matrone vor.
»Ich wollte wirklich nicht ungelegen kommen«, versuchte sie ein letztes Mal, die Situation zu retten, während Carl den Einwurf Mathildes einfach überging und weiterhin seinen Blick von ihrem Bauch zu seinen Schuhspitzen und wieder zurück wandern ließ, noch immer in eisiges Schweigen gehüllt.
Wenn er jetzt nicht gleich etwas sagt, drehe ich mich um und gehe! Friederike wusste nicht, ob sie sich mehr über Carls Verstocktheit oder ihre eigene Unbedarftheit aufregen sollte. Warum
hatte sie sich nicht vorher einen vernünftigen Plan zurechtgelegt, wie sie Carl am besten abpassen konnte, sodass sie ihn allein und unter günstigen Umständen erwischte? Wahrscheinlich hatte sie mit ihrem unbedachten Verhalten einmal mehr alles vermasselt. Aber dass Carl auch so unbeweglich war! Warum sagte er nichts? Warum schickte er seine Verlobte nicht einfach weg? Sie machte es ihm doch schon so leicht, indem sie fast von allein den Rückzug anzutreten bereit schien.
»Mathilde, lass uns allein!«
Eine gereizte Ungeduld lag in Carl Bogenhausens Stimme.
Gekränkt starrte die junge Frau ihren Verlobten an. Ihr
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