Die Porzellanmalerin
sich gebracht.
»Erst muss ich diese Hochzeit hinter mich bringen, danach sehen wir weiter«, hatte sie der Freundin erklärt. Sie hatte sich wirklich nicht dazu in der Lage gefühlt, neben der bevorstehenden Konfrontation mit Carls Familie auch noch einen Benckgraff’schen Wutausbruch über sich ergehen zu lassen. Denn dass der Fabrikdirektor alles andere als begeistert über ihre Schwangerschaft und ihre spektakuläre Flucht vor dem französischen König und seiner Mätresse sein würde, war mehr als gewiss. Aber sie musste ihn sprechen, allein, um ihn vor Georg zu warnen, daran führte kein Weg vorbei.
»Was seufzt du so, Friedrich? Du bist auf dem Weg zu deiner Hochzeit, vergiss das nicht! An so einem Tag hat eine junge Frau glücklich zu sein und nicht zu seufzen. Ach, wenn ich an deiner Stelle wäre …«
Träumerisch hatte Josefine den roten Vorhangstoff angehoben, um einen Blick aus dem Fenster zu riskieren. Sofort ließ sie ihn wieder fallen, als hätte sie sich verbrannt.
»Was ist los?«, fragte Friederike verwundert.
»Äh … äh, nichts. Nichts, nichts, da war niemand …«
Josefine hatte rote Flecken am Hals und einen starren Blick bekommen.
»Josefine! Was ist denn mit dir los? Du willst mir doch nicht weismachen, da war nichts! Für wie dumm hältst du mich?«, rief Friederike aufgebracht. Von Josefine, ihrer liebsten und besten
Freundin, angelogen zu werden, noch dazu am Tag ihrer Hochzeit, war ja wohl das Allerletzte.
»Da war doch jemand - jemand, den du kennst und von dem du nicht gesehen werden wolltest. Also, jetzt sag sofort, wer das war!«
Statt zu antworten, brach Josefine in Tränen aus. Erschrocken nahm Friederike sie in den Arm. So aufgelöst hatte sie die Freundin noch nie erlebt. Vorsichtig strich sie ihr über den Kopf mit der kunstvoll gelegten Lockenfrisur, in der ein kleiner Blütenkranz steckte. Josefine wimmerte jetzt fast. Friederike betrachtete ihren bebenden Rücken. Die Freundin war furchtbar dünn geworden, das fiel ihr jetzt erst auf. Kein einziges Speckröllchen zeichnete sich unter dem dünnen gelben Stoff mehr ab.
»Josefine, sag mir sofort, was los ist! Sonst befehle ich dem Kutscher anzuhalten, und wir kommen zu spät zu meiner Hochzeit. Was meinst du, wie Carl das findet, wenn er da vor der Kirche steht wie bestellt und nicht abgeholt!«
Bei der Vorstellung von einem verzweifelt wartenden Bräutigam, der in seiner Ungeduld immer panischer wurde, weil seine Braut nicht kam, musste selbst Josefine lachen. Vorsichtig, um ihren Ausgehstaat nicht noch mehr zu ruinieren, setzte sie sich auf und zupfte ihre Kleidung zurecht.
»Ach, Friedrich …« Sie holte tief Luft. »Weiß du, wer das eben war?«, stieß sie, ohne ihre Begleiterin anzusehen, aus. »Das war Simon, Simon Feilner.«
»Simon Feilner? Und?« Verständnislos schüttelte Friederike den Kopf. »Das ist doch wohl nicht schlimm - außer natürlich, wenn er mich entdeckt hätte. Aber die Gefahr bestand ja nicht, er hätte höchstens dein Gesicht gesehen und sich allenfalls gewundert, warum du in so einer vornehmen Kutsche sitzt.«
Josefines Augen hatten sich wieder mit Tränen gefüllt.
»Hast du es denn immer noch nicht begriffen?«, schluchzte sie jetzt fast aggressiv. »Simon Feilner ist der Mann, mit dem
ich die Affäre hatte! Der geheimnisvolle Fremde, von dem ich dir erzählt habe …«
»Was, Simon Feilner? Du hattest eine Affäre mit Simon Feilner?« Friederike war zutiefst verstört. »Aber Simon ist doch verheiratet und hat Kinder!«
»Ja, eben …«, heulte Josefine auf. Ihre Nase lief, das Rot ihrer pomadegefärbten Lippen war verschmiert.
»O nein, du Arme!«
Friederike nahm Josefines gelb behandschuhte Hand in die ihre. Als der Tränenstrom nach einer Weile noch immer nicht versiegen wollte, fragte sie mitfühlend: »Dich hat es wohl sehr erwischt, was?«
»Das kann man wohl sagen!« Josefine schniefte. »Simon ist der Mann meines Lebens, so viel ist sicher. Und ich glaube, ihm ist es ähnlich ergangen. Aber dann hat er sich doch für seine Frau entschieden.«
Wieder zog sie die Nase hoch. Friederike reichte ihr stumm ihr Spitzentuch.
»Er hat gesagt, er kann das nicht, mit zwei Frauen gleichzeitig. Und Höchst wäre zu klein für eine Liebschaft außerhalb der eigenen vier Wände, das wäre zu gefährlich. Und außerdem wollte er mir mein Herz nicht stehlen, damit ich frei wäre, um nach einem anderen Mann Ausschau zu halten, der mich heiratet und mir fünf Kinder
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