Die Porzellanmalerin
endlich!«
Umständlich kletterte sie an Carls Arm aus dem Wagen. Ihre
Knie waren weich, sie hatte Angst, ihr Magen könnte jeden Moment revoltieren.
»Schau dir an, wer alles gekommen ist! Ich hatte gar keine Gelegenheit mehr, dir zu erzählen, dass ich mich mit meinem Bruder ausgesöhnt habe. Gestern, in einem langen Gespräch unter Männern, wie man so schön sagt …«
Carl deutete auf das kleine Grüppchen vor der Kirche und beugte sich hinunter zu ihrem Ohr.
»Emanuel scheint mir ziemlich angetan von dir zu sein. Er hat zwar erst einen furchtbaren Aufstand gemacht, dass ich nicht Mathilde heirate, wegen der Nobilitierung und des guten Rufs der Familie, aber irgendwann hat er zugegeben, dass er meine Entscheidung wegen des Kindes nachvollziehen könne, zumal es der Familie ja bisher an Nachkommen gefehlt hat.«
Über Carls Schulter hinweg schielte Friederike zu den Wartenden, die mit unverhohlenem Interesse zu ihnen herüberstarrten. Josefine und Gustav hielten sich diskret im Hintergrund.
Carls Stimme senkte sich noch ein wenig mehr.
»Und das will etwas heißen, weißt du? Emanuel spricht sonst nie so gut von anderen Frauen. Ich glaube fast, er ist eifersüchtig. Seine eigene Ehe ist nicht sehr glücklich, du verstehst. Zumal Luise einfach nicht schwanger wird, seit Jahren schon nicht.«
Er fasste ihre beiden Hände und hielt sie ein Stück von sich ab, um sie besser betrachten zu können.
»Schön siehst du aus! Wie es sich für eine Bogenhausen gehört!«
»Dem kann ich nur beipflichten!«, ertönte es in einem merkwürdig schnarrenden Ton in seinem Rücken.
Als hätte man ihn bei etwas Ungehörigem ertappt, fuhr Carl herum. Er wollte das Wort ergreifen, doch sein Bruder kam ihm zuvor.
»Gestatten? Emanuel Bogenhausen, das Oberhaupt der Familie. Aber wir kennen uns ja bereits …«
Friederike reckte die Schultern. Der Mann vor ihr war in ein
für das schöne Wetter viel zu warmes dunkelbraunes Justeaucorps gezwängt. Kleine Schweißperlen hatten sich unter dem Ansatz seiner Perücke gesammelt. Er beugte den Oberkörper vor, um ihr einen Kuss auf den Handrücken zu drücken. Seine Augen hatten sich jedoch nicht gesenkt: Mit derselben fiebrigen Intensität im Blick, die ihr bereits im Gewürzlager aufgefallen war, starrte er auf einen Punkt unterhalb ihres Halses, genau auf die Stelle, an der sie auf Josefines Anraten hin noch in letzter Sekunde vor der Abfahrt ein Schönheitspflästerchen angebracht hatte.
»Sehr erfreut«, murmelte sie verwirrt. Was wollte er von ihr, warum starrte er sie so an? Der Abdruck seiner Lippen brannte auf ihrem Handrücken.
»Und das ist meine Mutter, Margarethe Bogenhausen, geborene Klettenberg - Mama, das ist Friederike, meine Braut.«
Eine elegante ältere Dame am Arm, trat Carl auf sie zu. Stolz und ein wenig Verlegenheit waren aus seiner Stimme herauszuhören. Hinter ihm ragte hoch die Katharinenkirche mit ihrer gelb-roten Sandsteinfassade auf, vor einem Himmel, der bis auf ein paar kleine Wölkchen nicht blauer hätte sein können. Carl sah fantastisch aus in dem bordeauxfarbenen Rock mit den langen Schößen, der schimmernden Brokatweste und der farblich abgestimmten Culotte, die seine wohlgeformten Beine erahnen ließ. Zur Feier des Tages hatte er eine weiß gepuderte Perücke aufgesetzt, die das Braun seiner Augen unterstrich. Fast ein wenig fremd kam er ihr vor, als er sie nun am Ellbogen fasste und der älteren Dame zuführte.
»Liebe Friederike - ich darf Sie doch so nennen? - willkommen in unserer Familie!« Frau Bogenhausen hielt ihr beide Wangen hin, die Friederike pflichtschuldig küsste. »Es ging zwar alles ein wenig schnell«, fuhr sie fort, »aber ich freue mich wirklich, Sie und bald auch den Kleinen bei uns aufnehmen zu dürfen.«
Carls Mutter war zwar nicht mehr schlank, aber sie hielt sich kerzengerade in ihrem schwarzen Gewand, das ihren Witwenstatus bekundete, obwohl der Tod Eduard Bogenhausens bereits
mehrere Jahre zurücklag. Sie hatte freundlich, doch ohne Wärme gesprochen, was Friederike nicht entgangen war. Nur bei ihrer Anspielung auf das bald zu erwartende Enkelkind hatte ehrliche Freude in ihren Augen aufgeleuchtet.
Friederike wollte erwidern, dass es ihr eine Ehre sei, von der Familie so herzlich aufgenommen zu werden, dass sie sich freute, schon am selben Abend ihre Räumlichkeiten im Stammhaus beziehen zu dürfen, aber sie brachte kein Wort hervor. Ihr Blick wanderte hinauf zu dem Kirchturm, dessen Uhr in wenigen Minuten die
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