Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
volle Stunde anzeigen würde. Der Hahn auf der Kirchturmspitze schaukelte leicht im Wind.
    »Ähm …« Ein Räuspern ertönte hinter ihr, dem ein kurzes, wie einstudiertes Schweigen folgte. Diesmal wusste sie sofort, wem die Stimme gehörte.
    »Wie freue ich mich, liebste Schwester, dir nun auch endlich zu deiner Hochzeit gratulieren zu dürfen!«
    Schwungvoll hatte Georg sie in die Arme gerissen und ihr einen Kuss auf beide Wangen gedrückt.
    »Einen besseren Fang hättest du wohl kaum machen können! Maman ist ganz hingerissen, wie du dir vorstellen kannst. Ich soll dir schöne Grüße bestellen, sie wird dich schon bald in deinem neuen Heim besuchen kommen.«
    »Georg, was machst du denn hier?« Sie bemühte sich, ihre Überraschung zu verbergen.
    Eine Wolke, die wer weiß woher aufgetaucht war, hatte sich über die Sonne geschoben. Friederike zog ihr Brusttuch über der Schulter zurecht. Die Kirchturmuhr zeigte drei Minuten vor vier Uhr an, schon fingen die Glocken an zu läuten.
    Der Coup war ihm gelungen! Ihr Bruder hatte bereits als kleiner Junge ein Händchen für theatrale Effekte besessen, nun zeigte sich sein Talent in voller Entfaltung. Aber irgendwie freute sie sich auch, ihn zu sehen. Immerhin war er Teil ihrer Familie und dies ihr großer Tag. Es war nur richtig, dass wenigstens einer der Simons bei ihrer Hochzeitsfeier anwesend war.

    »Liebe Schwester, ich kann dich doch in einer solchen Schicksalsstunde nicht allein lassen!«, erwiderte Georg jovial. »Caspar hat mir alles erzählt - von deiner bevorstehenden Heirat, von dem Kind und überhaupt …« Er grinste vielsagend. »Und da ich mich zufällig gerade auf der Durchreise hier in der Gegend befand, dachte ich mir, du würdest dich bestimmt freuen, von deinem Bruderherz zum Altar geführt werden. Nicht wahr?«
    Friederike schwieg. Sie schaute nach vorn zum Kirchenportal. Dort stand Carl, der seine Mutter untergehakt hatte, und blickte ungeduldig in ihre Richtung. Die anderen Hochzeitsgäste hatten sich im Spalier rechts und links des Eingangs aufgereiht. Sie sah Josefine, die ihr ein bemüht fröhliches Lächeln schenkte; sie sah Emanuel Bogenhausen mit einer verhärmten Frau am Arm, bei der es sich wohl um ihre künftige Schwägerin handelte; sie sah die verlegene Miene des alten Gustav und einen Mann, den sie mitsamt seinem selbstherrlichen Grinsen am liebsten zum Teufel geschickt hätte.
    »Hast du gesehen, Caspar ist auch da!«, raunte Georg ihr zu.
    »Charlotte hat mich gebeten, ihn an ihrer Statt mitzunehmen. Sie konnte ja nicht kommen, das arme Ding! Ihr Bauch ist nämlich noch dicker als deiner!«
    Nicht einmal das Tosen der Orgelklänge, die in diesem Moment eingesetzt hatten, vermochte Georgs meckerndes Gelächter zu übertönen. Schlagartig kam Friederike zur Besinnung.
    »Gehen wir, Georg! Bringen wir es hinter uns«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihm und legte die Hand in seine Armbeuge.

10. KAPITEL
    F riederike, Friederike …! Ah, ist das gut …« Mit einem tiefen Stöhnen ließ Carl von ihr ab und rollte sich auf den Rücken. Seine Hand tätschelte ihre nackte Hüfte. Über ihre Schulter hinweg blickte sie in sein gerötetes, glänzendes Gesicht. Mit geschlossenen Augen lag er da, ein glücklicher Ausdruck hatte sich auf seinen Zügen breitgemacht. Wie ein Säugling, der satt und zufrieden ist, dachte sie. Gleich schläft er ein …
    Sie drehte den Kopf wieder nach vorn und schaute herab auf ihren Bauch, der dick und schwer neben ihr lag. Als gehörte er nicht zu ihr, als wäre er etwas Eigenständiges, von ihr Unabhängiges. Sie spürte, wie das Kind in ihr strampelte. Es war nicht nur seinetwegen gewesen, dass sie auf Carls Avancen im ehelichen Himmelbett nicht richtig eingegangen war. Gewiss, sie waren noch nicht lange verheiratet, und es war wohl ganz normal und natürlich, dass er sich fast jede Nacht oder jeden Morgen vor dem Aufstehen auf sie stürzte, um mit ihr zu schlafen. Aber sie selbst hatte schon eine ganze Weile nicht mehr das Bedürfnis danach verspürt. Sie war viel zu erschöpft, schwebte in der Tat in ständiger Angst um das kleine Wesen in ihrem Leib, doch vor allem empfand sie keine Leidenschaft für ihn. Seine Küsse und Berührungen ließen sie seltsam kalt. Nur mühsam hatte sie auch dieses Mal die Form gewahrt und ein freundliches, wenn auch eher lahmes Interesse vorgegeben, um ihn nicht vor den Kopf zu stoßen und ihren Widerwillen anmerken zu lassen. Kränken oder verunsichern wollte sie ihn

Weitere Kostenlose Bücher