Die Porzellanmalerin
macht.«
Behutsam tupfte sie ihr verschmiertes Gesicht ab, das sich in der Kutschenscheibe spiegelte, verteilte großzügig neuen Talkpuder darauf und gab Pomade auf die Lippen.
»Geht es so?« Sie drehte sich zu Friederike um, die noch immer schwieg. »Dabei will ich doch gar keinen anderen, sondern nur ihn! Er ist wunderbar, weißt du? Einfühlsam, lustig, sinnlich …« Ihre Augen leuchteten auf. »Was haben wir für einen Spaß miteinander gehabt! Im Bett, aber auch sonst. Und reden konnte ich mit ihm auch. Im Garten oder in der Küche, stundenlang! Ich hab uns was Leckeres gekocht, und er hat erzählt.
Natürlich viel von der Manufaktur - daher hatte ich übrigens auch alle meine Weisheiten, über Georg und Caspar und so weiter, jetzt weißt du’s.«
Friederike war sprachlos. Josefine und Simon: dass sie nicht eher darauf gekommen war! Natürlich, die beiden passten hervorragend zusammen. Sie selbst schätzte Simon ebenfalls sehr, als Mensch, nicht unbedingt als Mann, dafür war er ihr zu bodenständig. Aber sie hatte ihn auch mit seiner Frau und den Kindern erlebt. Sicher ein wunderbarer Vater, hatte sie damals gedacht, als sie ihn mit den Jungen am Mainufer hatte herumtollen sehen. Zu seiner Frau, einer eher farblosen Person, war er weniger aufmerksam gewesen, aber immerhin war sie die Mutter seiner Kinder. Die arme Josefine! Friederike konnte gut verstehen, dass das erzwungene Ende dieser Liebe sie so unglücklich machte.
Nachdenklich starrte sie auf die lange Perlenkette, ein Geschenk von Carl, die von ihrem Hals herabhing, und ließ die dicken, glatten Perlen durch ihre Finger gleiten. Carl war sicher nicht der Mann ihres Lebens, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie Simon es für Josefine schien. Der Freundin nahm sie ohne Weiteres ab, dass sie in dem Obermaler die ganz große Liebe gefunden zu haben meinte, nur eben leider eine, die keine Zukunft hatte. Sie hingegen hatte wider Erwarten tatsächlich eine Zukunft mit Carl vor sich - aber ob es eine glückliche werden würde? Seit ihrem Wiedersehen hatten sie sich nur drei Mal getroffen, zwei Mal bei Josefine in der Küche und im Garten und einmal am Sachsenhäuser Ufer auf einen langen Spaziergang. Mehr Zeit war einfach nicht gewesen, nicht zuletzt, weil Carl darauf gedrängt hatte, die Hochzeit so bald wie möglich zu halten. Nun, sie hatte keine andere Wahl gehabt, als ihn zu heiraten; ob ihre Ehe eine glückliche werden könnte, würde sie erst wissen, wenn sie ihn besser kennengelernt hatte. Josefine hatte Simon ja im Alltag erlebt, im Gegensatz zu ihr, die Carl immer nur in Ausnahmesituationen mitbekommen hatte, und das auch nur selten. Aber was spielte das
jetzt noch für eine Rolle: Carl war der Vater ihres Kindes und der Mann, der sie vor einem Leben in Schande bewahrt hatte, nur das zählte. Noch dazu war er nett zu ihr und eine gestandene Persönlichkeit. Was wollte sie eigentlich mehr?
»Friedrich, ich glaube, wir sind gleich da! Da vorne dürfte schon die Hauptwache sein«, riss Josefine sie aus ihren Gedanken. Sie schien sich wieder gefangen zu haben.
»Sag mal, freust du dich eigentlich auf deine Hochzeit? Oder habe ich dir mit meiner unglücklichen Liebesgeschichte die Stimmung verdorben?«, fügte sie mit schuldbewusster Miene hinzu, als Friederike keine Anstalten machte, sich zum Aussteigen bereit zu halten. »Du siehst mir nicht wirklich aus wie eine glückliche Braut …«
»Nein, nein, keine Sorge«, beruhigte Friederike sie. »Ich bin nur etwas nervös, das ist alles.« Sie schob den roten Vorhang zur Seite. »Da, tatsächlich, ich sehe die Kirche. Aber es stehen so viele Leute davor - die wollen doch nicht etwa alle zu meiner Hochzeit?«
Auch Josefine schaute nun zum Fenster hinaus.
»Ich sehe Carl … Und jemanden, der eine leicht verfettete ältere Ausgabe von ihm sein könnte - wahrscheinlich Emanuel Bogenhausen, oder?« Ohne sich zu Friederike umzudrehen, der die plötzliche Anspannung alle Farbe aus dem Gesicht genommen hatte, fuhr sie mit ihrer Aufzählung fort: »Außerdem eine ältere Dame, die eigentlich nur die Mutter sein kann. Und eine jüngere mit einem missmutigen Gesicht, vielleicht die Frau des Bruders? Und … ich glaube, mich trifft der Schlag: Das kann doch nicht wahr sein, das ist doch …«
Ihre letzten Worte waren in dem Gerumpel des Wagens untergegangen, der nun unter lautem Gewieher der beiden Zugpferde zum Stehen kam. Schon wurde der Schlag von außen aufgerissen.
»Friederike,
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