Die Porzellanmalerin
Höchster Porzellanmanufaktur zu erinnern.
Doch Emanuel Bogenhausen schien sich für ihre Antwort gar
nicht zu interessieren. Apathisch nickte er ihr zu und trat den Rückzug an. Das Letzte, was sie von ihm vernahm, waren seine schlurfenden Schritte, bis die Tür zum Comptoir hinter ihm zufiel.
Es nieselte leicht, als der Bogenhausen’sche Zweispänner in der Kronengasse in Höchst vorfuhr, um Friederike abzuholen. Carl selbst war nicht mitgekommen, sondern hatte seinen alten Diener Gustav geschickt, seine Braut auf dem Weg in die Frankfurter Katharinenkirche zu begleiten. Sie hatten ausgemacht, ihre Hochzeit im kleinen Kreis zu feiern. Außer Josefine, die ihre Trauzeugin sein würde, und Gustav, der den Part auf Carls Seite übernehmen sollte, war niemand eingeladen.
»Friedrich, Friedrich, ich bin immer noch ganz verdattert«, japste Josefine, als sie in ihrem schönsten Sommerkleid, einer Française aus sattgelbem Seidentaft mit aufgestickten bunten Blumen, die Kalesche bestieg.
»Dass du mit einem Kind im Bauch zurück nach Höchst kommst, lass ich mir ja noch gefallen, aber dass du gleich heiraten musst … Und mich, kaum bist du wieder da, schon wieder verlässt! Meine Liebe, daran werde ich schwer zu knapsen haben. Ich hatte mich so auf deine Rückkehr gefreut!«
Friederike, die eine besonders weite und prächtige lachsfarbene Contouche zusammen mit einer Jupe und einem Mieder aus weißer Spitze, alles aus der Kollektion von Monsieur Panier, kurzerhand zu ihrem Hochzeitskleid erkoren hatte, tätschelte der Freundin die Hand. Ihr war nicht entgangen, dass Josefine schon den ganzen Morgen um Fassung rang. Auch ihr selbst war nicht wohl bei dem Gedanken, sich so schnell wieder von ihr trennen zu müssen. Die fünf Tage, die sie jetzt in ihrem Höchster Häuschen verbracht hatte - so lange hatte Carl veranschlagt, um das Aufgebot zu bestellen und den von ihm bewohnten Flügel
im Bogenhausen’schen Stammsitz ehetauglich zu machen, sprich: ein gemeinsames Schlafzimmer, zwei Gesellschaftsräume und eine Privatbibliothek für Friederike einzurichten -, waren viel zu kurz gewesen, als dass sie einander alles hätten erzählen können, was in den letzten Monaten in ihrer beider Leben vorgefallen war. Josefine hatte ihr noch nicht einmal in allen Einzelheiten von dem geheimnisvollen Fremden berichtet, mit dem sie eine kurze, aber wohl umso leidenschaftlichere Affäre gehabt hatte. Dafür hatte sie sich ausführlich über Georg und seine junge Ehefrau Charlotte ausgelassen, die ebenfalls schwanger und mit ihrem Gatten zu seiner »Erkundungsreise« nach Höchst gekommen war, wie Georg seine Schnüffelfahrt vornehm umschrieben hatte.
»Also, wie diese Charlotte jahrelang deine beste Freundin sein konnte!«, hatte sich Josefine an ihrem ersten gemeinsamen Abend beim Essen ereifert. »So ein dummes Stück! Kichert in einem fort, himmelt deinen Bruder an, dass es schon weh tut … Jedenfalls hat man mir das so berichtet«, hatte sie auf Friederikes fragenden Blick schnell hinzugefügt, offenbar nicht gewillt, zu verraten, woher sie so gut unterrichtet war.
»Übrigens fand ich ihn gar nicht so unsympathisch, weißt du das?«, hatte sie sofort weitergeplappert. »Ich bin ihm ja nur einmal ganz kurz begegnet, zufällig, auf der Straße, als er mit Caspar zum ›Goldenen Adler‹ ging. Caspar hat uns einander vorgestellt - und weißt du, was er gesagt hat?«
In Erinnerung an die Begegnung war erneut die Wut auf den Modelleur in ihr hochgestiegen.
»Er hat gesagt, ›das ist Georg, der Bruder unserer lieben Freundin Friedrich ‹, und dabei hämisch gelacht! Dein Bruder, ganz Gentleman, ist darauf aber gar nicht eingegangen, sondern hat mir nur einen formvollendeten Handkuss gegeben und ›Sehr erfreut, Madame‹ gesagt.«
Friederike seufzte. Sie hatte sofort nach dem Einsteigen in die Kalesche den Vorhang vor das kleine Fensterchen gezogen,
weil sie befürchtete, im Vorbeifahren womöglich erkannt zu werden. Höchst war klein, ihre Rückkehr, noch dazu unter den aktuellen Umständen als schwangere Frau, würde sich wie ein Lauffeuer herumsprechen und Benckgraff binnen kürzester Zeit zu Ohren kommen. Die ganzen fünf Tage, die sie in Josefines Haus verbracht hatte, war sie nicht auf die Straße gegangen, vor lauter Angst, entdeckt zu werden. Josefines Vorschlag in die Tat umzusetzen, doch am besten gleich zu Benckgraff oder zumindest zu Simon Feilner zu gehen und eine Generalbeichte abzulegen, hatte sie nicht über
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