Die Porzellanmalerin
»Und dann erzähl, wenn du magst. Ich glaube, es sind ein paar mehr Läuse, die dir da über die Leber gelaufen sind …«
Simons Hand griff nach ihrer, als Josefine auf dem abgesägten Buchenstamm gegenüber von Friederike Platz nahm. Sie wechselten einen Blick, der so innig, so liebevoll war, dass Friederike fast neidisch wurde. Sie setzte ihren Becher an die Lippen und trank ihn mit einem Zug leer, dann hatte sie sich halbwegs wieder gefangen und begann zu erzählen.
»Keine Ahnung, was ich jetzt machen soll«, schloss sie ihren Bericht. Mehrmals war Josefine zwischendurch aufgestanden, um Nachschub an Wurst, Käse und Wein zu holen.
»Morgen kommt Carl von seiner Reise zurück, und am Abend soll dann dieses gottverdammte Bankett stattfinden. Spätestens, wenn das vorbei ist, wird Emanuel zu Carl gehen und ihm alles erzählen, wenn ich ihm nicht ›zu Willen‹ bin, wie er es so schön genannt hat.«
»Dieses Schwein!«, schimpfte Simon. »So etwas Abgefeimtes, so ein geschmackloses, unverschämtes Verhalten hätte ich ihm nie zugetraut. Ich habe ihn ja ein paar Mal in der Manufaktur erlebt, wenn er bei Benckgraff war, um neue Rohlinge für dich zu holen oder neue Geschäfte zu besprechen, aber ich hatte immer einen relativ guten Eindruck von ihm. Obwohl …« - er hatte sich an dem Brotlaib zu schaffen gemacht und eine dicke Scheibe heruntergesäbelt -, »wenn ich es mir richtig überlege, bei unserer allerersten Begegnung vor ein paar Monaten, als ich ihn beim Alten im Zimmer sitzen sah, war mein spontaner Gedanke gewesen, dass er irgendwie verschlagen aussieht …« Er
nahm einen kräftigen Bissen von seinem Brot. »Ja, ich weiß noch, ich habe gedacht, wie guckt der denn? Warum sieht der mich nicht richtig an, wenn er mit mir spricht? Das habe ich gedacht, jetzt erinnere ich mich wieder. Später ist mir das nicht mehr so aufgefallen.«
Friederike sah zu Josefine und wusste sofort, dass die Freundin das Gleiche dachte wie sie.
»Ja, bei Carl ist das genauso«, musste sie lachen. »Das war auch das Erste, was mir an ihm aufgefallen ist. Scheint in der Familie zu liegen … Aber trotzdem, was soll ich denn jetzt tun?«, fragte sie, wieder ernsthaft geworden. »Ich kann doch nicht zurückkehren und so tun, als wäre alles in bester Ordnung!«
»Doch, kannst du wohl!«, entgegnete Simon fest. »Das ist die beste Strategie, die du jetzt fahren kannst - lass ihn auflaufen! Glaub mir, dann sitzt nämlich du wieder am längeren Hebel. Der wird doch jetzt nur darauf warten, dass du zu Kreuze kriechst und auf sein sauberes Geschäft eingehst! Wenn du den Spieß aber umdrehst, kriegt er kalte Füße, dann verunsicherst du ihn!«
»Simon, wie raffiniert du bist!« Josefine schenkte ihrem Geliebten einen bewundernden Blick. »Ich bin ja richtig stolz auf dich - so ein kluger Mann in meinem Bett!«
Sie lachte ein wenig beschämt, als sie Friederikes irritierten Seitenblick bemerkte.
»Komm, Friedrich, du mit deinem Giovanni bist ja wohl auch nicht von schlechten Eltern!« Sie boxte der Freundin scherzhaft gegen den Arm. »Irgendwie habe ich ja immer schon gedacht, du verschweigst mir was und bist lange nicht so unschuldig und keusch, wie du getan hast. Aber auf einen feurigen Italiener, eine flüchtige Reisebekanntschaft noch dazu, wäre ich im Leben nicht gekommen!«
»Er ist keine flüchtige Reisebekanntschaft«, erwiderte Friederike düster. »Das ist es ja gerade! Ich habe euch doch erzählt, wie meine Gefühle völlig verrückt spielten, als ich ihn während dieser verunglückten Ballnacht bei der Pompadour so unvermutet
wieder getroffen habe. Immerhin kannte ich da bereits Carl und war sogar schwanger von ihm. Keine Ahnung, warum Giovanni so eine Macht über mich hat!«
Ihr Blick blieb an Simons und Josefines Händen auf dem Küchentisch hängen, die einander noch immer umfasst hielten.
»Wahrscheinlich nennt man so etwas Liebe … Auch wenn es völlig absurd ist: Ich kenne ihn kaum, muss davon ausgehen, dass er in irgendwelche verbrecherischen Machenschaften verwickelt oder vielleicht sogar ein Staatsfeind ist, dass er jede Menge Frauen hatte, wahrscheinlich mit der Contessa verlobt ist … Abgesehen davon bin ich verheiratet und habe ein Kind. Und er hat sich verdammt viel Zeit gelassen, nach mir zu suchen! Hätte er sofort nach unserem Wiedersehen damit angefangen, wäre es vielleicht nie so weit gekommen, dass ich Carl geheiratet hätte.«
Sie schaute erst Josefine, dann Simon an.
»Aber seit ich
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