Die Porzellanmalerin
diesen Brief erhalten habe, seit er mir geschrieben hat, dass er demnächst in der Nähe von Fürstenberg sein wird und mich dort erwartet, seitdem bin ich wieder völlig gefangen von ihm. Meine Sehnsucht nach Giovanni ist so stark …« - sie suchte nach einem Bild, um sich den Freunden besser verständlich zu machen - »sie ist so stark, dass ich manchmal meine, sie mit Händen greifen zu können, ja, sie ist wie ein Körper, der vor mir in der Luft schwebt und den ich nur festzuhalten brauche. Aber dieser Körper entgleitet mir immer wieder.«
»Bist du sicher, dass Giovanni nicht alles dran gesetzt hätte, sofort nach dir zu suchen, wenn es ihm möglich gewesen wäre, Friedrich?«, entgegnete Simon langsam. »Du hast ja selbst erzählt, die Häscher des Königs hätten sich auf ihn gestürzt, nachdem dir die Flucht aus Meudon geglückt war. Vielleicht haben sie ihn wieder monatelang ins Gefängnis gesteckt! Oder er musste irgendwo untertauchen. Und dann dieser Brief aus Dresden: Das offizielle Siegel weist ziemlich eindeutig darauf hin, dass er irgendein höheres Tier beim Kurfürsten sein muss. Wer weiß, was für eine seltsame Mission das ist, von der er dir geschrieben
hat … Und dann ist da noch die Contessa - auch von ihr scheint er ja in einer gewissen Abhängigkeit zu stehen.« Er grinste leicht. »Und offenbar nicht nur in erotischer Hinsicht …«
Auch Friederikes Laune hatte sich deutlich gebessert, trotz Simons letzter Bemerkung. Der Gedanke, dass Giovanni mit der Contessa das Bett geteilt hatte, erfüllte sie nach wie vor mit Befremden. Aber sie war unendlich froh, sich endlich alles von der Seele geredet zu haben. In der kleinen Küche mit dem runden Holztisch, Seite an Seite mit Simon und Josefine fühlte sie sich einfach unsagbar wohl. Das Feuer prasselte im Herd, die Scheiben waren beschlagen von ihrem Atem, Josefines Leckereien mundeten köstlich, und der Wein trug das Seine dazu bei, die finsteren Erinnerungen an die Geschehnisse in ihrem Arbeitszimmer zu vertreiben. Ihre Gedanken schweiften zu Ludwig, der jetzt wohl schon längst von seiner Großmutter zu Bett gebracht worden war. Margarethe Bogenhausen würde sich bestimmt einen Moment gefragt haben, wo sie, die Mutter des Kleinen, denn steckte. Aber dann würde sie schnell auf die Idee gekommen sein, dass sie in Höchst bei ihrer Freundin weilte, zumal sie ja wusste, dass Friederike wegen des bevorstehenden Banketts in der Manufaktur zu tun hatte.
»Ich muss dir etwas sagen, Friedrich«, erklärte Simon plötzlich in einem fast feierlichen Tonfall. »Etwas, das auch Josefine noch nicht weiß und das ich euch bitte, unbedingt für euch zu behalten. Ich komme in Teufels Küche, wenn, auf welche Weise auch immer, durchsickert, dass ich nicht dichtgehalten habe.«
Eindringlich blickte er erst Friederike, dann Josefine in die Augen. Beide nickten stumm.
»Emanuel hat dir ja erzählt, dass Benckgraff verreist ist, nicht wahr, Friederike? Caspar und ich halten schon seit ein paar Tagen in der Manufaktur allein die Stellung - wenn man das, was Caspar da mit deinem Schwager gemacht hat, überhaupt als ›Stellung halten‹ bezeichnen kann … Ich bin mir sicher, er hat das Geld, das er für die ›Badenden‹ bekommen hat, in die eigene
Tasche gesteckt! Auch die Tatsache, dass er deinem Schwager überhaupt Einblick in Benckgraffs Giftschrank - so nennt der Alte seine Erotika-Sammlung - gewährt hat, ist absolut gegen die Abmachung.«
Als er Friederikes entsetzten Blick bemerkte, beeilte er sich hinzuzufügen:
»Keine Angst, selbst ich kenne nur einige wenige Stücke aus dieser Sammlung, zumal den Manufakturmitarbeitern der Zutritt zu dem Raum strengstens untersagt ist und nur Benckgraff persönlich ausgesuchte Kunden dorthin führt. Ich glaube im Übrigen auch nicht«, führte er seinen Gedanken weiter aus, »dass die Frauenfiguren alle dein Gesicht tragen, Friedrich. Da hat Emanuel sich entweder getäuscht, oder er wollte dich absichtlich quälen. Caspar hat in den letzten Monaten, ungefähr seit seiner Verlobung mit Anna, halb Höchst mit seinen Liebhaberfähigkeiten beglückt, vorzugsweise die reiferen Damen, wie er mir stolz erklärt hat, weil die weniger Besitzansprüche an ihn stellen, dafür aber umso mehr Leidenschaft an den Tag legen würden. Ich nehme an, bei diesen Gelegenheiten wird sich manch anderes Modell gefunden haben, dessen Züge jetzt in porzellanener Verzückung erstarrt sind … Aber was ich euch eigentlich erzählen
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