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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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offensichtlich ausländischer Herkunft war, aber in Dresden lebte und bei Hof verkehrte. Ein Liebhaber, zweifelsfrei, sonst hätte sie nicht so euphorisch reagiert.
    Friederike schüttelte den Kopf. Nein, Emanuel war nicht weltfremd und unbedarft! Sie kannte niemanden, der mehr Weitblick besaß als er, wenn auch vor allem in ökonomischen Dingen.
    Sie lehnte sich noch ein wenig mehr aus dem Fenster hinaus. Wie gut die frische Luft tat! Allmählich wurden ihre Gedanken wieder klarer. Sie befand sich in einer äußerst heiklen Lage, so viel stand fest. Emanuel kannte nun ihr Geheimnis, er wusste, dass es in ihrem Leben bereits vor seinem Bruder einen Mann gegeben hatte - und noch immer gab. Das war das eigentlich Entscheidende, nicht unbedingt die Tatsache, dass Carl nicht der Erste für sie gewesen war. Wenngleich eine junge Frau von Stand natürlich keine vorehelichen Beziehungen zu pflegen hatte. Schlimm genug, dass sie als Unverheiratete schwanger geworden war! Eigentlich musste sie den Bogenhausens bis ans Ende ihrer Tage zutiefst dankbar sein, dass sie sie trotz Kind im Bauch in ihrer Mitte aufgenommen hatten. Es gab genug Mädchen, gerade aus besseren Kreisen, die verstoßen wurden, weil sie durch ihre Schwangerschaft Schmach über die Familie gebracht hatten. Sie hatte sogar von einem Fall gehört, in dem eine junge Frau ihr Kind unmittelbar nach der Geburt ertränkt hatte, weil sie nicht mehr ein noch aus gewusst hatte. Draußen vor den Toren der Stadt hatte man sie, die Kindsmörderin, schließlich an den Galgen gehängt, nach wochenlangem Martyrium im Kerker in der Katharinenpforte.
    Aber nein, davon war sie weit entfernt, rief sie sich zurecht.
Emanuel war ihr Freund, er würde ihre Situation womöglich sogar verstehen, vor allem, wenn sie ihm erklärte, dass sie beabsichtigte, Giovanni nicht wiederzusehen. Sie musste ihm nur das Versprechen abnehmen, seinem Bruder kein Sterbenswort von der ganzen Sache zu sagen. Es würde Carl nur unnötig beunruhigen, wenn er von der Existenz des Italieners erfuhr. Er würde sich hintergangen fühlen, weil sie ihm nicht die ganze Wahrheit über ihr Vorleben offenbart hatte.
    Friederike schlotterte vor Kälte. Erst jetzt bemerkte sie den eisigen Wind, der durch den dünnen Stoff ihres Hauskleides drang. Sie hatte schon die Arme gehoben, um das Fenster wieder zu schließen, als eine Stimme direkt in ihrem Rücken sie zusammenfahren ließ.
    »Friederike, was machst du da am offenen Fenster? Ist dir nicht gut?«
    Dicht hinter ihr stand Emanuel, ein in grobes, braunes Papier gewickeltes Paket von sperrigen Ausmaßen im Arm.
    Sie musste sein Klopfen völlig überhört haben. Hastig klappte sie die beiden Fensterflügel zu, schob den Riegel vor und drehte sich zu ihm um. Mit beiden Händen rieb sie sich über die Oberarme. Wie kalt ihr war - sie zitterte ja richtig!
    »Nein, nein, schon gut«, murmelte sie. »Ich wollte nur nach der Katze schauen. Sie ist schon seit ein paar Tagen verschwunden. Ich dachte, ich hätte ein Miauen gehört.«
    Sie trat zu dem Stuhl vor ihrem Sekretär, über dessen Lehne ihr Wolltuch hing.
    »Lange nicht gesehen!«, zwang sie sich, möglichst unbefangen zu klingen.
    »Ja, ja, ich war in den letzten Tagen viel unterwegs«, erwiderte Emanuel ebenso leichthin.
    Sie konnte sehen, dass seine Gelassenheit nur gespielt war. Emanuel war zwar ein Mann von großem Weitblick und Geschäftssinn, aber ein umso schlechterer Schauspieler, wenn es darum ging, seine Gefühle zu verbergen.

    »Unter anderem war ich in Höchst, um neue Rohlinge zu besorgen. Du weißt ja, dieser Auftrag, für den du die ganze Zeit schon gearbeitet hast. Der Kunde hat seine Bestellung vergrößert und auch davon gesprochen, dass er ins Ausland exportieren will, und zwar bald, noch vor Ostern. Ich weiß gar nicht, wie wir das in der kurzen Zeit alles schaffen sollen … Aber Benckgraff war leider nicht da«, fuhr er betont beiläufig fort. »Er musste kurzfristig verreisen, wie man mir berichtete. Dafür habe ich eine andere interessante Bekanntschaft gemacht.«
    Seine Augen verengten sich kaum merklich.
    »Du kennst den Mann ebenfalls, habe ich mir sagen lassen …«
    Umständlich hievte er sein Paket auf das runde Tischchen neben dem Ledersessel.
    »Pack aus, das ist für dich!«, befahl er unerwartet barsch.
    Einer inneren Eingebung folgend tat sie widerspruchslos, was er von ihr forderte: Dieser unerklärliche Stimmungswandel verhieß nichts Gutes. Noch bevor ihre bebenden Finger die

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