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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Kordel aufgeknotet hatten, die das Packpapier zusammenhielt, wusste sie, was sich unter der Umhüllung befand.
    »Los, mach schon, worauf wartest du noch?«, herrschte Emanuel sie an, als er ihr plötzliches Zögern bemerkte.
    Sie versuchte, Gelassenheit in ihren Blick zu legen, während ihre Hände nun gefügig den Knoten lösten und das Papier von dem Gegenstand darunter abschälten.
    »Sieh dir genau an, was ich dir mitgebracht habe!«, raunte Emanuel heiser.
    Friederike konnte seine Anspannung spüren. Sein ganzer Körper schien zu vibrieren.
    »Ist sie nicht wunderschön, diese Skulptur? Du kennst sie, nicht wahr?«
    Er war so dicht neben sie getreten, dass ihre Arme sich berührten.
    »Und du kennst auch die beiden Liebenden, die Modell für sie gestanden haben, wenn mich nicht alles täuscht …«

    Wie gebannt starrte sie auf Caspars Meisterwerk. Sie hatte ganz vergessen, wie fantastisch gelungen »Die Badenden« waren. Dass sie beeindruckt von Caspars Modellierkunst gewesen war, als Benckgraff vor Monaten die beiden Entwürfe seines neuen Mitarbeiters präsentiert hatte, erinnerte sie wohl, aber nicht das tiefe Gefühl von Ergriffenheit, das sie nun überkam. Zumal Simon Feilner ihren Rat beherzigt und die Figuren lediglich weiß glasiert hatte, statt sie zu bemalen.
    »Woher hast du das?«, fragte sie tonlos. Ihre Lippen bewegten sich kaum.
    »Da staunst du, was?«, rief Emanuel verächtlich. »Dein Liebhaber persönlich hat mir das Modell verkauft! Für viel Geld im Übrigen! Benckgraff war, wie gesagt, nicht da, also hat dieser Ebersberg mich empfangen und meine Bestellung entgegengenommen. Wir sind ins Gespräch gekommen, und irgendwann erkundigte er sich nach dir. Er wusste natürlich, dass du meine Schwägerin bist. ›Soll ich Ihnen etwas ganz Besonderes zeigen? ‹, hat er mich untertänigst gefragt und zu einem Raum geführt, in dem ich noch nie zuvor gewesen bin. Nach rechts und nach links hat er sich umgeschaut, als wir im Flur vor der verschlossenen Tür standen, damit auch ja niemand mitbekommt, wie wir dieses Zimmer betreten. Dann hat er von innen den Schlüssel im Schloss umgedreht und mit einem Ruck die Tücher von den beiden Tischen gerissen, um die darunter lagernden Modelle zu entblößen … Ja, entblößen!«, lachte er böse. »Denn die Figuren waren alle nackt, Friederike! Lauter Frauen und nur ganz wenige Männer, und auch die nur in Kombination mit einer Frau - so wie dieser ›Badende‹ hier. Und weißt du, was?«
    Er hatte mit beiden Händen ihre Oberarme gepackt und sie so dicht an sich gezogen, dass sie seinen Atem auf der Haut spüren konnte.
    »Und weißt du, was? Alle diese Frauen hatten dein Gesicht! Dein Gesicht, verstehst du? Und sie waren nicht nur nackt, nein, sie waren mehr als das: Sie … sie ließen alles von sich sehen, Friederike,
alles erahnen, wozu sie bereit sein würden …« Er schien sich einen Ruck geben zu müssen, um die Worte über die Lippen zu bringen:
    »Ja, sie hatten die Beine weit geöffnet, hatten ihre Hintern rausgestreckt, sie berührten sich an allen möglichen Stellen …«
    Mit einem Mal ließ er sie los und stieß sie von sich, als könnte er ihre Nähe nicht mehr ertragen. Friederike musste sich an der Sessellehne festhalten, um nicht zu Boden zu fallen.
    »Du schamloses Weib, du! Nicht nur, dass du dich mit einem Italiener herumtreibst - oder wer ist jener Giovanni, der dir neulich geschrieben hat? -, nein, dann musst du dich auch noch diesem Gecken aus Höchst an den Hals werfen! Er hat mir Dinge über dich erzählt: Du würdest vor Scham im Boden versinken, wenn du wüsstest, was er mir alles gesagt hat …«
    Emanuels Stimme hatte sich zu einem Flüstern herabgesenkt. Er war wieder auf sie zugetreten und hatte sie an den Schultern gepackt, um sie zu schütteln.
    »Und dann hast du meinem Bruder ein Kind angedreht und dich in unsere Familie eingeschlichen, du Betrügerin, du …«
    Friederike hielt ganz still. In seinem Atem roch sie den Alkohol, den er getrunken haben musste, in seinem Gesicht sah sie die Empörung, aber auch die Verzweiflung, die ihn antrieb.
    »Nur mich hast du bisher verschmäht …«
    Er war zurück an das runde Tischchen getreten, um das Modell der »Badenden« zu betrachten, das im Schein der Kerzen in einem satten, weichen Glanz schimmerte: als wären die beiden Liebenden mit den hingebungsvollen Gesichtern lebendig, als würde sich unter der cremefarbenen Porzellanoberfläche das sanfte Spiel ihrer Muskeln

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