Die Porzellanmalerin
abzeichnen.
Vorsichtig strich Emanuel über die Rundungen der Frau. Seine Zunge fuhr über seine Lippen, bevor er in neutralem Ton weitersprach:
»Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen, liebe Schwägerin. Ein Geschäft, das … zu unser beider Gunsten ist.«
Er blickte auf und sah zu ihr herüber. In dem diffusen Licht konnte Friederike seine Miene nur undeutlich erkennen.
»Wir werden einen Vertrag abschließen, wir beide: Du tust mit mir all die Dinge, die du mit deinen anderen Männern treibst und die dein Freund, der Modellmeister, so kongenial nachzubilden wusste.« Wieder stieß er sein höhnisches Lachen aus. »Und im Gegenzug dazu werde ich weder Carl noch sonst jemandem ein Sterbenswörtchen von dem verraten, was ich über dein sittenloses Vorleben in Erfahrung gebracht habe.«
Er hielt einen Moment inne. Tonlos fuhr er fort:
»Ja, auch die Tatsache, dass dich mit diesem Italiener offensichtlich mehr verbindet als mit meinem Bruder Carl, ja, sogar das soll unser süßes Geheimnis bleiben, wenn du mir, wann immer mich danach gelüstet, zu Willen bist.«
Friederike hatte die Lider gesenkt, um seinem Blick nicht länger begegnen zu müssen. Sie sah auf ihre Hände herab, die sich so fest um die Sessellehne gekrallt hatten, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf, sie hatte das Gefühl, ihre Schädeldecke würde gleich zerspringen, wenn sie nicht sofort etwas unternahm, um ihrem Entsetzen, ih rem Abscheu Ausdruck zu verleihen. Aber das Schlimmste war die Enttäuschung, die sie empfand, diese maßlose Enttäuschung über das unsagbar schäbige Verhalten eines Menschen, dem sie vertraut, den sie für ihren Freund gehalten hatte und der sie jetzt auf eine Art und Weise erpresste, wie sie es nicht einmal Caspar Ebersberg oder ihrem Bruder Georg zugetraut hätte.
Lange sprachen weder sie noch er ein Wort. Nur ihre Atemzüge waren zu hören, seine ruhig und gleichmäßig, als wäre jede Aufregung von ihm abgefallen, ihre flach und schnell.
Erst als eine der Kerzen mit einem lauten Zischen in ihrem eigenen Wachs ertrank, erhob sich Friederike aus ihrer noch immer halb über der Sessellehne hängenden Haltung.
Sie drehte sich zu dem Tischchen mit dem hingegossenen Liebespaar um, dessen milchfarbener Schein einen perfekten
Kontrast zu dem dunkel polierten Holz bildete. Langsam streckte sie die Hand aus, bis ihre Finger das kühle Porzellan berührten. Stumm schaute sie ihrem Schwager in das ausdruckslose Gesicht.
»Du Schwein«, sagte sie leise, während ihre Finger sich noch ein winziges Stück weiter vorbewegten.
Klirrend zersprang die Statue auf dem Boden, als sie vor seinen Füßen ausspuckte und ohne ein weiteres Wort den Raum verließ.
»Friedrich, du hier? Um diese Uhrzeit? Was für eine Überraschung! Komm rein, ich freu mich, dich zu sehen!«
Friederike hatte sofort gemerkt, dass ihr Besuch der Freundin nicht gelegen kam. Ein Blick auf ihr gerötetes Gesicht und die aufgelösten Locken über dem nachlässig zugeknoteten Hausmantel hatte genügt, sie erkennen zu lassen, dass Josefine nicht allein war. Die Tür zu ihrem Schlafzimmer stand angelehnt, und schon nach kürzester Zeit trat mit einem leicht verlegenen Grinsen auf den Lippen Simon Feilner aus dem Raum.
»Na, Frau Bogenhausen«, er stopfte sich umständlich das Hemd in die Kniebundhose, um dann aufmerksam ihre Züge zu studieren, »was ist passiert? Alles in Ordnung mit dir?«
»Komm, setz dich erst mal!«, fügte er hinzu, als sie nicht sofort reagierte, sondern nur apathisch vor sich hin starrte. »Du siehst aus, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen.«
Er nahm sie bei der Hand und zog sie hinunter auf die Küchenbank neben dem halb erloschenen Herdfeuer, auf das Josefine rasch ein paar neue Scheite gelegt hatte. Geschäftig trat sie an den bunt bemalten Hängeschrank und entnahm ihm drei Becher, ein Holzbrett und ein großes, scharfes Messer. Aus der winzigen Speisekammer, die eigentlich mehr ein Verschlag war, holte sie einen angeschnittenen Leib Brot, eine prall gestopfte Wurst, ein Stück Käse und eine Flasche Rotwein.
Friederike stützte den Kopf in die Hände. Die ganze Zeit während der Fahrt auf dem Marktschiff, dem letzten, das an dem Abend noch nach Höchst gefahren war, hatte sie ihre Tränen zurückhalten können, aber jetzt merkte sie, wie die Gefühle sie zu übermannen drohten.
»Trink erst mal was!« Josefine streichelte ihr über die zuckenden Schultern.
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