Die Porzellanmalerin
nicht gewollt. Im Gegenteil, du weißt, dass ich etwas ganz anderes gewollt habe!«
Ein bedauerndes Lächeln, das eine winzige Spur zu anzüglich war, flackerte über seine Züge. Dann atmete er tief durch.
»Wo ist Carl?«, fragte er. »Er wird mein besoffenes Gelalle doch wohl nicht ernst genommen haben, oder? Man weiß ja nie bei meinem Herrn Bruder. Er ist so humorlos manchmal.«
Friederike, die aufgestanden war, die Arme über der Brust verschränkt, drehte sich zum Fenster um. Sie schaute in den verlassenen Hortensiengarten hinaus.
»Er ist heute Morgen weggeritten.«
»Hm.« Emanuel kratzte sich an seinem unrasierten Kinn. »Was sollen wir jetzt machen, Friederike?«
Er starrte auf einen Farbklecks, der sich leuchtend gelb von den dunklen Dielen abhob.
Das konnte doch nicht wahr sein, dass er sie jetzt um Rat fragte! Er war derjenige, der das ganze Unheil angerichtet hatte, sollte er doch sehen, wie er den Schaden repariert bekam!
Am liebsten hätte Friederike ihm eine Ohrfeige verpasst, aber dann hob er den Blick und sah sie an wie ein verstörter kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte und sich allmählich seiner Schuld bewusst wurde, sodass ihr Zorn sofort wieder verflog.
»Und unsere Gäste, haben sie das alle mitbekommen?«, sorgte Emanuel sich nun.
»Alle!«
Wie sollte sie jemals wieder unbefangen durch die Stadt laufen? Für den Rest ihres Lebens würde sie jetzt wohl das Getuschel, ob eingebildet oder nicht, in ihrem Rücken spüren, jeden Blick als aufdringlich empfinden. Es war ja nicht so, dass die Frankfurter Gesellschaft sie jemals wirklich als eine der Ihren aufgenommen hätte, dachte sie bitter. Niemand hatte vergessen, dass sie als Schwangere mit Carl vor den Altar getreten war und dass sie der unschuldigen Mathilde Leclerc den Verlobten ausgespannt hatte. Und nun das! Man würde sie nirgends mehr empfangen.
Wieder verbarg Emanuel das Gesicht in den Händen.
»Dann können wir die Nobilitierung wohl vergessen«, murmelte er undeutlich. »Das hat ein Heidengeld gekostet. Ich habe sogar schon Geschäftspapier mit ›von Bogenhausen‹ drucken lassen. Das werde ich jetzt wohl einstampfen lassen müssen …« Er hob den Kopf. »Obwohl der Kaiser natürlich weit weg ist und ihn wahrscheinlich ganz andere Dinge interessieren als so ein kleiner Skandal. So etwas kommt schließlich in den besten Familien vor.«
Er kicherte freudlos. »In den allerbesten Familien!« Angestrengt runzelte er die Stirn.
»Ist es nicht geradezu ein Zeichen von Adel, solche Skandale zu produzieren? Vielleicht sollten wir einfach noch mehr Geld in die Hand nehmen, statt die Sache kampflos aufzugeben.«
»Das darf ja wohl nicht dein Ernst sein, Emanuel, dass du nur an deine verfluchte Nobilitierung denkst!«
Nun war sie wirklich gleich so weit, ihm in sein aufgequollenes Gesicht zu schlagen.
Schwerfällig wuchtete Emanuel sich aus dem Sessel. Mit hängenden Schultern stand er so dicht vor ihr, dass sie wieder seinen alkoholgetränkten Atem riechen konnte. Den tropfenden Eisbeutel hielt er in der Hand. Eine kleine Wasserlache hatte sich zu seinen Füßen gebildet. Er versuchte seinem Gesichtsausdruck etwas Heiteres zu verleihen.
»Es wird Gras über die Sache wachsen, Friederike. Du wirst sehen, in einer Woche interessiert sich niemand mehr dafür. Und Carl wird es auch vergessen haben, wenn er wieder zurückkommt.«
Aber irgendwie klang seine Stimme so, als glaubte er selbst nicht an seine Worte.
Schwägerin und Schwiegermutter redeten nur noch das Nötigste mit ihr. Die gemeinsamen Mahlzeiten verliefen in kaltem Schweigen. Der Einzige, der nicht so tat, als wäre sie nicht vorhanden, war Emanuel. Selbst bei Maria Hesse vermeinte Friederike Missbilligung herauszuhören, auch wenn sie nur über Ludwig sprach. Und eins der Dienstmädchen hatte sich ihr gegenüber eines Tages so im Ton vergriffen, dass Margarethe sie ohne viel Federlesens sofort entlassen hatte. Ihr einziger Trost war wieder einmal Ludwig, dessen Anhänglichkeit umso mehr zunahm, je älter und verständiger er wurde. Und Giovanni, an den zu denken sie besonders an ihren langen, einsamen Abenden ausreichend Zeit fand. Carl hatte sich weder gemeldet, noch war er nach Hause zurückgekehrt, und keiner schien genau zu wissen, wo er sich aufhielt. Doch sie wurde den Verdacht nicht los, dass Emanuel und Margarethe sehr wohl im Bilde darüber
waren, wo er steckte und was er trieb, denn niemand schien sich Sorgen um ihn zu machen, weil er
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