Die Porzellanmalerin
›Badenden‹ verkauft. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.«
»Er hätte ihn schon längst rauswerfen sollen! Ich verstehe nicht, warum er so lange damit gewartet hat.«
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Friederike sich richtig heiter gestimmt. Zwar würde sich an ihrer Situation durch Caspars Rausschmiss nichts ändern, aber dass derjenige, der so viel Unglück über sie gebracht, der sie mehrfach bedroht und ihr das Leben schwer gemacht hatte, endlich bestraft wurde, erfüllte sie mit großer Genugtuung.
»Benckgraff war sich wohl nie so ganz sicher, ob Göltz ihn wirklich darin unterstützen würde. Er hat so lange gebraucht, um genügend Beweise gegen Caspar zu sammeln. Und weil er sowieso vorhat zu gehen, hat er es jetzt riskiert. Dass er aus Höchst weg will, weiß Göltz natürlich noch nicht.« Glucksend fügte Josefine hinzu: »Natürlich hätte er Caspar am liebsten schon rausgeschmissen, nachdem er dich beinah erwürgt hat. Eigentlich sogar noch viel früher. Das hat Simon mir erzählt. Schon als Caspar ankam und behauptet hat, du wärst eine Frau, wollte Benckgraff ihn feuern.«
»Wo Caspar jetzt wohl hingeht?«
Gedankenverloren tunkte Friederike einen Keks in ihren Kakao.
»Die Porzellanbranche kommt mir ein bisschen vor wie die Seefahrt. Immer sind alle unterwegs. Auch den Seemann hält es nie lange an einem Ort.Wie ein Abenteurer, der von einem Ort zum anderen zieht, ohne jemals ein festes Ziel zu haben.«
Josefine wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
»Ja, ohne festes Ziel, heute hier, morgen dort …«
Friederike musste bei ihren Worten an Giovanni denken. Wenn Giovanni sein Vagabundendasein nicht aufgeben wollte, wenn auch er wie ein Seefahrer immer wieder einen neuen Hafen ansteuerte, würde wohl aus ihnen beiden nie etwas Ernstes werden können. Schnell schob sie den Gedanken wieder beiseite.
»Ich vermute, dass Caspar nach Meißen zurückgeht«, sagte sie laut. »So, wie er mit Georg gekungelt hat …«
Sie war froh, dass der Modelleur bald weit weg sein würde. Hoffentlich musste sie ihm nie wieder unter die Augen treten. Kaum zu glauben, dass sie sich als junges Mädchen so in ihn verguckt hatte. Wie naiv und dumm sie gewesen war! Jegliche Menschenkenntnis hatte ihr gefehlt. Aber ob sie jetzt so viel mehr davon besaß?, fragte sie sich zweifelnd. Schließlich war ihre derzeitige Lage auch nicht viel besser: verliebt in ein Phantom, das sie weder richtig kannte noch wirklich einschätzen konnte, und verheiratet mit einem Mann, der zwar ehrenwert und noch dazu der Vater ihres Kindes war, der aber eindeutig nicht der Richtige für sie zu sein schien. Wieso war Carl einfach weggelaufen? Er hatte ihr noch nicht einmal die Möglichkeit zu einer Aussprache gegeben. Sollte man nicht wenigstens versuchen zu retten, was zu retten war? Hatte Carl ihre Ehe noch schneller abgehakt als sie selbst? Die Vorstellung versetzte ihr, wie jedes Mal, wenn sie über sein Verhalten sinnierte, einen Stich, was ihr zugleich völlig absurd vorkam. Wie konnte sie beleidigt sein, dass ihr Ehemann ihr die kalte Schulter zeigte, wenn sie doch die ganze Zeit von ihrem fernen Geliebten träumte?
Josefine streifte ihre Schuhe ab und zog die Knie unter den Rock. Friederike konnte sehen, dass sie ein kleines Loch im Strumpf hatte, als sie die Füße auf dem Polster des Ohrenfauteuils ablegte. Staunend ließ die Freundin ihren Blick über die hohen Regale mit den Farben, Pinseln und roh gebrannten, weiß glasierten oder bereits fertig bemalten Porzellanteilen wandern. Bei einer kleinen Terrine in Rebhuhnform, die neben einer Reihe von bunten Kinder- und Tierfigürchen stand, blieb ihr Blick hängen.
»Was du alles kannst, Friedrich!«, rief sie ehrfürchtig aus. »Der Vogel sieht tatsächlich so aus, als könnte er jeden Moment davonfliegen. Ich bin immer wieder platt, wenn ich diese Teile, von denen du und Simon ständig erzählt, dann tatsächlich einmal vor mir sehe. Unsereins kann sich so was ja leider nicht leisten …«
Mit einer bedauernden kleinen Grimasse beugte sie sich zu dem Tischchen mit dem Kakaotablett hinüber und schenkte sich nach. Die Tasse mit dem heißen Getränk vorsichtig in der Hand balancierend, kuschelte sie sich zurück in ihren Sessel.
»Was willst du jetzt machen, Friedrich?«, fragte sie ernst.
Doch Friederike achtete nicht weiter auf ihre Frage. Ein seltsamer Argwohn hatte sie beschlichen. Sie legte den Finger auf den Mund, damit Josefine nicht weitersprach,
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