Die Porzellanmalerin
würde Simons Frau sich sehr wundern. Sie fragt sich ja jetzt schon, warum ihr Mann so selten zu Hause ist.«
»Irgendwie kann ich nicht glauben, dass das bloß ein Zufall ist«, sagte Friederike bedächtig, ohne auf Josefines Worte einzugehen. »Ich meine, dass die beiden Männer, die du und ich lieben, bald beide in derselben Gegend hocken - das ist doch ein Wink des Schicksals, oder?«
Josefine kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten. Ein Klopfen ertönte, und Gustav steckte seinen Kopf ins Zimmer herein.
»Entschuldigen Sie die Störung, meine Damen, aber wenn wir vor Einbruch der Dunkelheit noch nach Höchst zurückfahren wollen, dann wird es Zeit aufzubrechen.«
»Willst du nicht hierbleiben, Josefine?«, drängte Friederike.
»Noch ist Simon ja da.« Die Freundin schüttelte mit nachsichtigem Lächeln den Kopf. »Da will ich jede Minute auskosten, die wir zusammen verbringen können. Das verstehst du doch, oder?«
Aber als sie zum Abschied einander umarmten, flüsterte sie ihr ins Ohr:
»Wenn du zu Giovanni gehst, dann nimmst mich mit, versprochen?«
Friederike fühlte sich zunehmend eingesperrt. Niemand kam sie mehr besuchen, und sie hatte keinen Grund, das Haus zu verlassen und irgendwo hinzugehen. Wie schön war es gewesen, als sie noch als Mann verkleidet durch die Straßen hatte streifen können! Nun war sie eine feine Dame, die sich in der Sänfte zu anderen Damen der Gesellschaft zum Teetrinken tragen lassen konnte. Nur dass die Frankfurter Gesellschaft mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte und die Einladungen zum Tee oder Ähnlichem seit dem verhängnisvollen Bankettabend gänzlich ausgeblieben waren. Sogar Luise, die sie in den ersten Monaten ihrer Ehe geradezu bedrängt hatte, sie zu irgendwelchen gesellschaftlichen Ereignissen zu begleiten, schien nun eher froh, wenn sie allein losziehen konnte.
So erklärte Friederike sich sofort einverstanden, als Emanuel ihr ein paar Tage nach Josefines Besuch vorschlug, auf dem zugefrorenen Main Schlittschuh zu laufen. Ein Vergnügen, dem sich die ganze Stadt hingab.
»Da können wir allen zeigen, dass wir eine Familie sind! Dass wir zusammenhalten! Dass alles wieder gut ist!«, hatte Emanuel ihr verschwörerisch ins Ohr geflüstert.
Friederike war davon nicht ganz so überzeugt, schließlich war Carl noch immer nicht zurückgekehrt und hatte sich auch nicht gemeldet. Aber alles war besser, als ständig Trübsal blasend zu Hause zu sitzen. Sie zog das dunkelrote Samtkleid an, mehrere Unterröcke und ihre alten Stiefel. Der Pelzumhang, den sie schließlich umlegte, war zwar schwer, und sie konnte sich auch nicht sonderlich gut darin bewegen, aber zumindest würde ihr nicht kalt werden. Ludwig wurde in dicke Decken gehüllt. Geschmeidig glitt der Schlitten durch die sonntäglich ruhigen Straßen bis zum Mainufer.
Die Schneedecke auf dem zugefrorenen Fluss glitzerte in der Sonne. Nur eine kleine Eisfläche um die Brücke herum hatte man für die Schlittschuhläufer frei geräumt: spiegelglatt, tiefschwarz und undurchdringlich. Bis auf einen alten Kahn, der
nicht rechtzeitig aus dem Wasser geholt worden war und festgefroren im Eis lag, befanden sich die Boote und Schiffe sicher alle im Hafen. Ein paar Fischer debattierten eifrig, wie sie den Kahn am besten befreien sollten - ein Unterfangen, das wenig aussichtsreich erschien. Ein paar halbwüchsige Jungen mit langen Stöcken in der Hand spielten sich gegenseitig eine flache Scheibe über die spiegelglatte Fläche zu. Eine Frau in einem Fuchspelz drehte kunstvolle Pirouetten auf ihren Kufen, die langen Mantelschöße flatterten um sie herum.
Bildete sie sich das nur ein, oder starrten alle Leute zu ihr her?, fragte sich Friederike, während sie unter Luises Anleitung die scharfen Eisen unter ihren Stiefeln befestigte. Wahrscheinlich wusste die ganze Stadt, was bei Bogenhausens vor sich ging.
An der Hand ihrer Schwägerin balancierte sie vorsichtig aufs Eis. Sofort verlor sie das Gleichgewicht und musste sich auf Luise stützen, um nicht der Länge nach hinzufallen. Kaum hatte sie ein paar vorsichtige Schritte getan - das schwerelose Gleiten wollte ihr einfach nicht gelingen -, rannte einer der Jungen mit den langen Schlägern sie unter lautem Gebrüll fast um. Der Junge hatte nur auf die Scheibe vor ihm und auf seine Kameraden geschaut und sie erst im letzten Moment gesehen. Die junge Dame, die mit eleganten langen Schwüngen an ihnen vorbeisegelte, war Mathilde Leclerc. Weiße Flocken stoben unter
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