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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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nehmen ließ, mir von Raum zu Raum zu folgen. Ich freute mich über meine zunehmende Schwäche, denn obwohl ich Konstantius versprochen hatte, mir nicht das Leben zu nehmen, erschien mir dieses sanfte Abgleiten ins Vergessen als eine willkommene Unterbrechung meiner Leiden.
    Sobald die Schwäche die Fesseln meiner Seele löste, hatte ich eine Vision.
    Mir schien, als wanderte ich durch eine neblige Landschaft, ähnlich des Grenzgebiets zu Avalon. Ich war gekommen, der Göttin gegenüberzutreten, um den Schritt in den nächsten Lebensabschnitt zu tun, den Übergang von der Mutter zur Greisin. Bisher hatte ich nie über das Dasein der Mutter hinaussehen können, die das zentrale Antlitz der Göttin sein muss, und die Frauen zu IHRER Seite, die Nymphe und die Greisin, nur IHRE Gehilfinnen.
    Doch was ich jetzt durchmachte, war die letzte Geburt, die letzte Prüfung meiner Kraft und meines Mutes. Jetzt, da ich vor meinem Übergang aus der Mutterschaft stand, war ich gezwungen, die Tragödie aller Mütter dieser Welt zu sehen. Selbst Jesus hatte den Christen zufolge eine Mutter gehabt; immer wieder sah ich ihn in ihren Armen liegen, und als das Leben ihn verließ und besiegte, rief auch er nach ihr. Ich sagte mir: ganz wie ein Mann; er ging hinaus und starb tapfer und überließ es den Frauen, seine Arbeit danach wieder zusammenzufügen . Angst um meinen Sohn überkam mich, und ich weinte bittere Tränen. » Muss eine Mutter ihre Kinder ziehen lassen, nur damit sie gekreuzigt werden? «
    Ich fragte, was jenseits noch kommen sollte. Immer wieder wurde mir nur das Gefühl zuteil, eine Galionsfigur zu sein, die über das Meer ins Unbekannte vorstößt.
    Dann war mir, als begriffe ich die eigentliche Tragödie der Frau. Ich hatte meine Mutter verloren, noch ehe ich sie überhaupt kennen lernen konnte, und wurde allein gelassen, verloren, verzweifelt, nach Trost schreiend. Es war eine Situation, in der wir Frauen uns ein Leben lang immer wieder befinden. Wir sind gezwungen, Männern Kraft zu verleihen, Kinder auszutragen und zu ernähren. Außenstehende hielten mich für stark, aber ich war ein Kind, das im Dunkeln nach Trost schrie, und meine Mutter war fortgegangen und nie wieder für mich da.
    Dann das Salz in der Wunde. Noch ehe ich alt genug war, auf eigenen Füßen zu stehen, ehe ich Zeit oder Kraft gefunden hatte, zu erfahren, wer ich war, wurde eine kleinere Hand in die meine gedrückt, und eine Stimme sagte: »Hier. Das ist deine kleine Kusine. Gib auf sie Acht.«
    Das ist die Konfrontation mit dem Leben, das erste Mal, da uns bewusst wird, eigentlich sollten wir lauthals »Nein!« sagen und dieses kleine Geschöpf niederschlagen und so lange traktieren, bis es tot und kalt da läge, ohne etwas zu fordern, sollten fortlaufen in die Freiheit, uns aller Fesseln entledigen und rufen: »Mutter, warte, es gibt nur mich!«
    Sonst müssen wir die andere Wahl treffen, und, der eigenen Mutter beraubt, selbst Mutter werden und das Kind aufheben, wenn es fällt, ihm Tränen trocknen, es in den Schlaf wiegen und im Dunkeln in die Arme schließen, weil es ebenso sehr des Trostes bedarf wie man selber, und man ist ja auch die Stärkere und kann abgeben…
    Jetzt, da die klaren Bilder im Nebel verschwanden, erkannte ich, das ich genau das getan hatte, zuerst für Becca und Dierna, später für eine ganze Reihe von Dienerinnen und Soldatenfrauen und für jüngere Offiziere aus der Truppe meines Gemahls. Und für Teleri, auch wenn ich sie letztlich im Stich gelassen hatte.
    Auf einmal merkte ich, dass jemand bei mir im Zimmer war. Ich hatte strikte Anweisungen gegeben, dass man mich nicht stören sollte, aber ich war jetzt sogar zu schwach, wütend zu werden. Ich schlug die Augen auf.
    Teleri saß an meinem Bett, ein wenig zusammengesunken, als säße sie schon geraume Zeit dort. Auf ihrem Schoß hielt sie eine Schüssel Haferbrei. Er dampfte noch, und der Duft weckte Erinnerungen an die Halle der Priesterinnen an einem frostigen Morgen, wenn wir uns alle versammelt hatten, um die einzige Mahlzeit des Tages rund um das Feuer in unserer Mitte einzunehmen. Dieser Geruch hatte mich aus meiner Vision zurückgeholt, der Duft nach Haferbrei mit Honig und getrockneten Äpfeln, wie man ihn in Avalon zubereitete.
    »Deine Diener haben nicht gewagt, dich zu stören«, sagte sie leise, »aber ich will den Sünden, die ich bereits auf mich geladen habe, nicht noch die eine hinzufügen, dich sterben zu lassen, solange ich etwas tun kann.«
    Ich

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