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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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Kathedrale zurückgekehrt bist. Ich kann dich nicht allein in dieses Entsetzen gehen lassen!«
    Ich runzelte die Stirn, doch ich hatte schon längst gelernt, mich der eigenartigen Tyrannei zu beugen, der Diener alle unterwerfen, die sie angeblich besitzen, und gesunder Menschenverstand sagte mir, es könnte klug sein, eine junge, kräftige Frau zur Seite zu haben.
    Ich dachte, wenn wir Sylvester aus dem Weg gingen, müsste ich nicht befürchten, erkannt zu werden, denn ich hatte einen Schleier getragen, als ich tags zuvor hier war. Letzten Endes fragte niemand nach unseren Namen - sie alle waren fieberhaft beschäftigt und dankbar für jede helfende Hand.
    Und so kam es, dass ich, die zehn Jahre lang die mächtigste Frau im Imperium war, so schwer arbeitete wie zuletzt als Mädchen auf Avalon. Ich schleppte Wasser und versuchte, die Patienten sauber zu halten. Cunoarda schuftete an meiner Seite.
    Ich war erstaunt, wie schnell man sich nicht nur an den Geruch, sondern auch an das entsetzliche Bild gewöhnen konnte. Blut und Fäkalien konnte man entfernen, das war alles. Doch im erschöpften Zustand reagieren selbst die besten Menschen gereizt, und mir wurde schnell klar, dass nicht alle Christen Heilige waren, obwohl sie selbstlos sein mochten und bei der Pflege der Kranken ihr Leben riskierten, wenn ihnen schon von offizieller Seite kein Martyrium mehr drohte.
    Ich wusch sanft einem alten Mann die Brust ab, der sich gerade die Lunge aus dem Leib gehustet hatte, als ich hinter mir einen Aufschrei vernahm. Der Mann mit dem Wassereimer war offenbar gerade von einer Frau angestoßen worden, die einen Stapel sauberer Tücher auf den Armen trug. Das Wasser war dabei zum Teil verschüttet worden.
    »Pass doch auf, wo du hintrittst! Das hätte uns gerade noch gefehlt, dass jemand darauf ausrutscht und sich den Knöchel bricht!« Seiner Fistelstimme war die körperliche Schwäche anzumerken, doch die Frau sah nicht viel besser aus.
    »Ausgerechnet du musst mir einen Vorwurf machen! Alle Welt weiß, dass du während der Verfolgungen Weihrauch vor den Teufeln verbrannt hast, den Göttern der Heiden.«
    »Und habe ich nicht für diese Sünde gebüßt?« Er deutete auf die Leidenden ringsum. »Habe ich nicht Tag für Tag hier mein Leben aufs Spiel gesetzt? Wenn unser Herrgott mich strafen will, dann wäre es ein Leichtes, mich niederzustrecken. Du aber warst so unbedeutend, dass sie es nicht der Mühe wert fanden, dich zu verfolgen. Gib Acht, sonst wirst du noch wegen der Sünde des Stolzes verdammt!«
    »Ihr solltet euch schämen, euch im Angesicht der Sterbenden zu streiten!«, sagte ich mit der Stimme, die fünfzig Jahre lang einen Haushalt regiert hatte. »Du, gib mir ein sauberes Tuch und du etwas Wasser, womit ich es anfeuchten kann, damit dieser arme Kerl die kurze Zeit, die er noch zu leben hat, wenigstens in Sauberkeit verbringt!« Doch schon wölbte sich der Körper des Kranken in einem letzten zuckenden Versuch, zu atmen, dann lag er still da. Ich fuhr zusammen, als meine steifen Muskeln beim Aufstehen protestierten, und bedeutete den Männern, die die Leichen hinaustrugen, ihn fortzuschaffen.

    Die ersten Tage waren entsetzlich gewesen, und ich legte mir aus Selbstschutz einen psychischen Schild gegen die Leidenden zu. Tagsüber arbeitete ich, ohne nachzudenken, und abends schlich ich nach Hause, um die Ansteckung in meinen Bädern abzuwaschen und traumlos bis zum nächsten Morgen zu schlafen. Vielleicht schenkte ich meinen eigenen Schmerzen so wenig Aufmerksamkeit, weil meine Gedanken ausschließlich um die Bedürfnisse anderer kreisten.
    Allmählich merkten wir, dass nicht alle Patienten starben. Einige wenige, die genug Wasser trinken konnten, waren in der Lage, ihr Sekret so feucht zu halten, dass sie es ausspucken konnten, statt daran zu ersticken. Schließlich erholten sie sich, obwohl sie so schwach waren, dass eine weitere Ansteckung sie wahrscheinlich dahinraffen würde. Verbissen verdoppelten wir unsere Anstrengungen, doch die Priester, die an unserer Seite arbeiteten, hatten noch immer alle Hände voll damit zu tun, die Letzte Ölung zu spenden, wenn wir scheiterten.
    Manchmal sah ich Sylvester in fleckigem Gewand und mit Holzkreuz statt eines goldenen neben den anderen schuften, doch es gelang mir, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich glaube sogar, er hätte mich selbst dann nicht erkannt, wenn ich direkt vor ihm gestanden hätte. Die Wahrnehmung der meisten Menschen beschränkt sich auf das, was sie sehen

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