Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
diesem eisigen Blick zu. »Das ist der Wille der Herrin von Avalon!«
    Ganeda hatte den Satz noch nicht zu Ende gebracht, da hatte ich schon beschlossen, ihr die Stirn zu bieten. Doch mit dem strengen Befehl, die Hecke fertig zu schneiden, schickte sie mich den Berg hinauf, und erst in der stillen Stunde gleich nach Sonnenuntergang, als die Bewohner von Avalon sich zum Abendessen versammelten, gelang es mir, unbeobachtet die Tür des Lagerschuppens zu öffnen.
    Rasch schlüpfte ich hinein und umarmte das zitternde Kind. »Eilan?« Die Kleine klammerte sich an mich und schnüffelte. »Es ist so kalt und dunkel, und ich glaube, hier gibt es auch Ratten…«
    »Dann musst du mit dem Rattengeist sprechen und ihn bitten, die Tiere von dir fern zu halten«, sagte ich aufmunternd.
    Dierna schauderte und schüttelte den Kopf.
    »Weißt du nicht, wie es geht? Na komm, dann machen wir es zusammen und versprechen ihm Futter für die Sippe…«
    »Keiner hat mir was zu essen gebracht«, flüsterte das Mädchen. »Ich habe Hunger.«
    Ich war froh, dass die Dunkelheit die Sorgenfalten auf meiner Stirn verbarg. »Hunger? Ja, vielleicht kann ich dir etwas von meinem Abendessen bringen und eine Opfergabe für den Rattengeist obendrein. Wir werden sie draußen ablegen und ihn bitten, sein Volk dorthin zu führen…«
    Erleichtert spürte ich, wie sich die Verkrampfung des Mädchens in meinen Armen löste. Ich begann mit ihr in der inzwischen gewohnten Weise zu zählen und tief zu atmen, um uns in die Andere Welt zu flüchten.

    Ich hatte vergessen, dass nach dem Abendessen Geschichten erzählt wurden. Brot und Käse bauschten mein Umhängetuch verräterisch auf, und als ich zum Abtritt hinausging, waren noch immer zu viele Priesterinnen in meiner Nähe, sodass ich nicht unbemerkt entwischen konnte. Wenn ich jetzt versuchte, zu Dierna zu gehen, würde man mich sicher vermissen, und meine Abwesenheit würde genau die Aufmerksamkeit erregen, die ich zu vermeiden wünschte.
    Die lange Halle wurde von Fackeln erhellt, und im Kamin prasselte ein Feuer, denn auch im Frühherbst waren die Abende schon kühl. Fortwährend musste ich daran denken, wie es Dierna wohl ergehen mochte, so allein in Kälte und Dunkelheit.
    Am ersten Tag der Woche handelten die Geschichten, die in der Halle von Avalon erzählt wurden, von den Göttern. Die meisten kannte ich inzwischen, doch als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Druiden richtete, der gerade erzählte, merkte ich, dass ich diese noch nie gehört hatte.
    »Die alten Überlieferungen lehren, dass ›alle Götter ein Gott, alle Göttinnen eine Göttin sind und es einen gibt, der der Urgrund ist‹. Aber was bedeutet das? Die Römer sagen, alle Götter seien dasselbe, nur hätten die verschiedenen Völker ihnen unterschiedliche Namen gegeben. So behaupten sie, dass Cocidius und Belatucadros dasselbe seien wie ihr Mars, und sie geben Brigantia und Sulis den Namen ihrer Göttin Minerva. Es stimmt, dass diese Gottheiten sich oft um dieselben Dinge kümmern. Doch wir lehren, dass sie wie römische Glasscherben sind, die hintereinander aufgestellt werden. An dem Ort, an dem alle Götter eins sind, gehen alle Farben im reinen Licht des Himmels auf. Doch wenn dieses weiße Licht durch ein Glasstück dringt, zeigt es die eine Farbe, eine zweite, wenn es durch ein anderes fällt, und nur wenn sich die Gläser überlagern, sehen wir einen dritten Farbton, in dem die beiden anderen enthalten sind.
    Genauso ist es auf dieser Welt, wo die Götter der Menschheit eine Vielzahl von Gesichtern zeigen. Dem ungeübten Auge mögen diese Farben alle gleich erscheinen, doch die jeweilige Sichtweise hängt häufig damit zusammen, wie man etwas zu sehen gelernt hat…«
    Ich blinzelte erstaunt und fragte mich, was mit dieser Philosophie wohl noch erklärt wurde. Ich hatte lernen müssen, wie man die Aura erkennt, die ein jedes Lebewesen umgibt, wie man von den Wolken auf das bevorstehende Wetter schließt. Gesichter hingegen konnte ich noch nicht so gut lesen, obwohl die finstere Miene meiner Tante kaum der Auslegung bedurfte. Verstohlen vergewisserte ich mich, dass das Essen nicht aus meinem Umhängetuch gerutscht war, und wünschte, ich könnte Dierna beibringen, im Dunkeln zu sehen. Heute Abend war jedoch fast Vollmond, und das Weidengeflecht der Wände im Schuppen dürfte ein wenig Licht durchlassen.
    »Außerdem gibt es einige Götter, für die es bei den Römern keine Entsprechung gibt. Die Römer behaupten, der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher