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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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deine Nachtwache antreten, und wenn der Tag vorüber ist, kehre in die Gemeinschaft zurück, um in einer Feier geehrt zu werden. Dein neues Leben beginnt bei Sonnenaufgang.«
    Heron half mir auf die Beine, und alle Frauen schritten auf den Teich unterhalb der heiligen Quelle zu. Während der Himmel immer heller wurde, bildeten sie einen schützenden Kreis. Heron zog mir den Umhang aus, und als ich noch zitternd dastand, entkleidete sie sich ebenfalls. Die anderen Jungfrauen und die jüngeren Priesterinnen taten es ihr nach, und zufrieden stellte ich fest, dass ich nicht die einzige war, deren Haut sich rauhte.
    Jetzt erst fiel mir auf, dass die Vögel schon seit geraumer Zeit zwitscherten und mit ihrem triumphierenden Chor auf den Apfelbäumen die Sonne herbeiriefen. Über der Erde und in den Zweigen hingen noch Nebelschwaden, doch über uns wurden sie dünner, und die erlöschenden Fackeln verbreiteten im heraufziehenden Morgenlicht nur noch einen blassen Glanz. Mit jedem Augenblick wurde die Welt sichtbarer, als würde sie erst jetzt offenbar. Allmählich tauchte der glatte Berghang des Tor aus den von rosa Licht durchdrungenen Nebeln auf.
    Es wurde heller. Heron nahm mich am Arm und zog mich in den Teich hinab. Die anderen jungen Frauen folgten uns mit Muscheln in den Händen. Ich schnappte nach Luft, als ich in das kalte Wasser eintauchte, dann noch einmal, als der feurige Sonnenball plötzlich über dem Horizont auftauchte und seine Strahlen sich in jedem Nebeltropfen und jeder kleinen Welle im Wasser brachen. Bewundernd hob ich die Arme und sah zu, wie meine bleiche Haut im roten Licht erstrahlte.
    Heron schöpfte Wasser und schüttete es über mich, doch das Feuer in mir begrüßte die eisige Flamme.
    »Mit dem Wasser, welches das Blut der Herrin ist, seist du geläutert«, raunten die Jungfrauen und taten es Heron nach. »Möge das Wasser den Schmutz und die Flecken davontragen. Möge all das, was dein wahres Selbst verborgen hat, aufgelöst werden. Werde still und lass dich vom Wasser umschmeicheln, denn aus dem Wasser, welches der Leib der Göttin ist, wirst du neu geboren.«
    Ich ließ mich ins Wasser gleiten, mein offenes Haar schwamm auf der Oberfläche, und die dunklen Locken glänzten in der Sonne. Ein Teil meiner selbst wusste, dass das Wasser kalt war, doch mein ganzer Körper prickelte, als badete ich im Licht; ich spürte, wie jedes Teilchen meiner selbst sich verwandelte.
    Einen zeitlosen Augenblick lang schwebte ich im Wasser. Dann zogen mich weiche Hände nach oben, und ich tauchte ins volle Tageslicht.
    »Erhebe dich jetzt, Eilan, rein und glänzend, enthüllt in all deiner Schönheit. Erhebe dich und nimm deinen Platz unter uns ein, Jungfrau von Avalon!«

3. Kapitel
    A. D. 265
    Der Sommer war zu Ende, und ich schnitt gerade die Haselnusshecke, als mich etwas in die Wade piekte. Erschrocken fuhr ich zusammen und holte instinktiv mit dem Zweig aus, den ich gerade abgeschnitten hatte.
    »A-ha!« Dierna tänzelte rückwärts und wedelte mit den Zweigen, die sie aus dem auf dem Weg liegenden Haufen stibitzt hatte. »Erwischt!«
    Dierna war inzwischen acht Jahre alt, und ihr rotes Haar leuchtete wie eine Fackel. Die zweijährige Becca wackelte hinter ihr her. Ich streckte die Hand aus, um die Kleine aufzufangen, während Dierna erneut davonschoss. Ich lief ihr nach und drohte mit meinem Zweig, obwohl mein Lachen die Wirkung eher zunichte machte.
    »Passt du heute auf Becca auf?«, fragte ich, nachdem wir uns alle außer Atem auf die Wiese gesetzt hatten.
    »Sieht so aus«, antwortete das kleine Mädchen. »Sie läuft mir überallhin nach…«
    Ich nickte. Ich hatte die älteren Priesterinnen untereinander reden gehört und wusste, dass Sian noch immer schnell ermüdete. Und so musste Dierna unweigerlich die meiste Verantwortung für ihre kleine Schwester tragen.
    Offenbar litt Sian keine Schmerzen, doch ihre Kraft schwand Monat für Monat dahin, und selbst bei Vollmond wurde sie nicht wieder kräftiger. Ganeda sagte nichts, aber in ihrem Gesicht zeichneten sich neue Furchen ab. Ich empfand Mitleid für die ältere Frau, wusste indes, dass ich die Letzte war, deren Mitgefühl meine Tante annähme.
    Ehe ich bereit war, wieder aufzustehen, hüpfte Dierna längst hinter Becca her, die auf ihren stämmigen Beinchen schon wieder den Pfad hinunterstrebte.
    »Im Schilf sind junge Entchen!«, rief Dierna. »Komm mit und schau sie dir an!«
    »Das würde ich ja gern«, sagte ich, »aber ich habe versprochen,
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