Die Priesterin von Avalon
Gesellschaft zusammenzuhalten, und die Götter seinen eine Art philosophisches Ideal.
»Die Menschen in meinem Dorf wussten es besser!«, rief Heron. »Unsere Feste bringen uns in Einklang mit den Zyklen und Jahreszeiten der Welt.«
»Und die Rituale von Avalon können sie verändern«, warf Ganeda schließlich ein. »Wir befinden uns schon auf halbem Wege zur Anderen Welt, und was wir hier tun, hallt auf allen Daseinsebenen wider. Es hat Zeiten gegeben, da wir offener in der Welt aufgetreten sind, und Zeiten, in denen wir unsichtbar hinter unseren Nebeln blieben, doch wir arbeiten mit den Energien des Kosmos, entsprechend den Lehren, die uns aus dem Land Atlantis überliefert wurden, das jetzt im Meer versunken ist. Es ist eine übersinnliche Kraft, die den Geist und den Körper eines jeden vernichten würde, der versuchte, sie unvorbereitet oder ohne entsprechende Ausbildung zu beherrschen…«
Aelia schlug vor der Glut in Ganedas Blick die Augen nieder, dann schauten Heron und Roud zur Seite. Ganeda richtete den Blick auf mich, und mir war, als schaute ich nicht auf die Tante, die mich hasste, sondern auf die Herrin von Avalon. Ihr huldigte ich und neigte den Kopf.
»Deshalb opfern wir uns der Göttin und verrichten IHR Werk in der Welt, nicht aus Stolz, sondern weil SIE uns mit einer Stimme gerufen hat, die zu einer Antwort zwingt«, sagte sie leise. »Unser Leben ist das Opfer.«
Nach diesem Tag schien die Spannung zwischen Ganeda und mir etwas nachzulassen. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass ich sie allmählich zu verstehen begann. Tatsächlich brachte jeder Tag neue Erkenntnisse, während wir Fähigkeiten, die wir zu beherrschen geglaubt hatten, weiter verfeinerten.
Die Eingebung verschwand. Widerwillig löste ich mich vom Bild des im Licht strahlenden Tor und zwang mich, den Weg um ihn herum wieder in den Garten zurückzuverfolgen. Meine Führerin setzte mit gleichmäßiger Stimme ihre Anweisung fort und verhinderte, dass ich mich verirrte, bis die strahlende Erinnerung an meine innere Reise sich in die vertraute Szene verwandelte, die ich jeden Tag vor mir sah.
Ich schlug die Augen auf, blinzelte in die Sonne und legte meine Hände auf die Erde, um mich noch einmal in ihrer Kraft zu verankern. Der Hagedorn und die sorgfältig gehegten Kräuter waren noch wunderschön, obwohl sie die glänzenden Ränder verloren hatten, die ich in der Anderwelt gesehen hatte. Roud und Heron saßen neben mir. Tief atmete ich die würzige Luft ein und dankte der Göttin, dass sie mich sicher zurückgeführt hatte.
»Haben nur diejenigen die Sehergabe, die nach den alten Überlieferungen ausgebildet wurden, wie ihr sie uns hier lehrt?«, fragte Roud.
Die Hohepriesterin schüttelte den Kopf. Seit dem Tod ihrer Tochter war sie alt geworden, und das Morgenlicht, das durch die Blätter des Apfelbaums drang, zeigte jede Falte und Runzel in ihrem Gesicht mit gnadenloser Deutlichkeit. Hätte Ganeda nicht so klar zum Ausdruck gebracht, dass sie mich nur deshalb mit den anderen zusammen unterrichtete, weil es ihre Pflicht war, hätte sie mir beinahe Leid tun können.
»In unserem Volk gibt es viele, die über eine ausgeprägte Sehergabe verfügen«, antwortete sie, »aber sie bringt ihnen nichts Gutes ein, denn sie kommt unvorhergesehen über sie. Diese Menschen können sie weder steuern noch beherrschen. Da sie nicht gelernt haben, damit umzugehen, vermögen sie eine unerwünschte Eingebung weder zu verhindern noch sich auf eine willkommene zu konzentrieren und deren Macht zu steuern, weshalb die Sehergabe für sie eher ein Fluch denn ein Segen ist.«
Nachdenklich zog Heron die Stirn kraus. »Deshalb geht Ihr so vorsichtig damit um, wann und wo Ihr sie zulasst?«
Ganeda nickte. Ich fragte mich, ob sie um die Sicherheit der Hellseherin fürchtete oder ob sie Angst hatte, die Vision könnte ihrer Kontrolle entgleiten? Ich fand es anmaßend zu glauben, man könne der Sprache der Götter solche Grenzen ziehen.
Seit einer Woche redete sie nun schon über die zahlreichen Möglichkeiten, die Zukunft vorherzusagen. Die Druiden beherrschten die Kunst, Omen zu lesen, die Trance des Barden und die Traumbilder, die dem Priester erscheinen, wenn er unter dem Fell des geheiligten Bullen schläft. Diese Fähigkeiten wurden auch von den Druiden in Hibernia ausgeübt. Das Volk vom See verwendete die kleinen Pilze, die auch Ungeübten zu Visionen verhalfen, und tauschte sie gegen unsere Heilmittel ein.
Aber es gab noch andere
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