Die Priesterin von Avalon
anderes Relief vor als allgemein üblich, und so bat ich den Steinmetz, zusätzlich zu den drei üblichen Gestalten - zwei mit Obstkörben und die dritte mit Kind - noch eine vierte Mutter zu meißeln, die einen Hund auf dem Schoß hatte.
Vielleicht waren die Mütter mir dankbar, denn innerhalb eines Monats lernte ich drei Menschen kennen, die mein Leben in den Jahren, die ich noch in Londinium verbrachte, nachhaltig verändern sollten.
Den Ersten traf ich gleich nach meinen Verhandlungen mit dem Steinmetz. Ich war auf der Suche nach einem Stand, an dem ich mir Brot und Wurst kaufen konnte, ehe ich wieder nach Hause ging. Doch als ich um die Ecke bog, stolperte ich beinahe über etwas Haariges, und als ich näher hinschaute, sah ich mich von Katzen umgeben. Mir war nicht klar, ob das ein Omen sein sollte. Es müssen zwei Dutzend in allen Größen und Farben gewesen sein, die ungeduldig vor einem ziemlich heruntergekommenen Gebäude warteten, das sich an die Rückseite des Isis-Tempels lehnte.
Ich vernahm leise Worte in einer fremden Sprache, drehte mich um und erblickte eine kleine, rundliche Frau, die mehrere Tuniken und eine Palla mit leuchtend grellen Farben trug und an einer Krücke ging. Ihr dunkles Haar war teilweise von purpurroten Wickeln bedeckt. Sie hatte einen Korb bei sich, der selbst auf die Entfernung stark nach Fisch roch.
Sie schaute auf und sah mich. »Oh, tut mir Leid«, sagte sie auf Latein. »Sie werden sehr aufdringlich, diese gefräßigen Katzen, aber ich bin die Einzige, die ihnen etwas gibt.«
Als sie den Korb öffnete und Fischköpfe herauszog, sah ich ihre dunklen, mit Kohle geschminkten Augen. Ihre Haut war von einem warmen Schimmer, der wohl kaum von der britannischen Sonne herrührte. Um den Hals trug sie einen Anhänger in Form einer Katze in ägyptischem Stil.
»Bist du eine Priesterin?«, fragte ich.
»Ich bin Katiya, und ich diene der Göttin…« Sie wollte gerade als Zeichen der Ehrerbietung eine Hand an die Stirn führen, als sie merkte, dass sie ein Stück Fisch darin hielt. Sie lachte auf und warf es einem dicken rostroten Kater zu, der etwas abseits wartete.
»Im Osten schauen wir auf Bastet, die Katzengöttin«, sagte sie leise mit melodischer Stimme. »Im Osten suchen wir nach der Seele von Isis, der Lichtträgerin, der Mondmutter, der gütigen Beschützerin. Wir richten unsere Gebete an den Schrein der Bubastis. Aber in Londinium bin ich die Einzige, die es macht«, fügte sie hinzu und schüttelte den Kopf. »In Ägypten wissen alle Menschen, dass die Katze der Göttin heilig ist, aber Kaufleute bringen Katzen mit nach Britannien und setzen sie aus, und niemand kümmert sich darum. Nur die Priesterinnen der Isis dulden mich hier, weil sie wissen, dass Bastet und Isis Schwestern sind. Ich tue, was ich kann.«
»Meine Göttin bevorzugt Hunde«, sagte ich, »aber ich vermute, Bastet ist auch ihre Schwester. Nimmst du eine Opfergabe an?«
»Im Namen meiner Göttin«, antwortete sie und zog aus ihren faltenreichen Gewändern einen Beutel, der etwas weniger nach Fisch stank als der Korb. Ich warf ein paar Münzen hinein. »Ich füttere meine Kleinen, und ich singe Lieder. Komm zu mir, wenn du traurig bist, edle Herrin, und ich muntere dich auf.«
»Das glaube ich dir aufs Wort!«, antwortete ich und musste unwillkürlich lachen. Nach unserer ersten Begegnung besuchte ich Katiya, solange ich in Londinium lebte, ungefähr jede Woche und brachte ihr meine Opfergabe. Um die Waage im Gleichgewicht zu halten, opferte ich jedoch auch im Tempel der Diana, die Hunde liebte, für die streunenden Hunde der Stadt. Hin und wieder nahm ich einen solchen Findling mit nach Hause, doch obwohl ich mich über das Trappeln von Hundepfoten im Haus freute, entstand zu keinem eine Bindung, wie ich sie zu Hylas und Eldri hatte.
Die zweite Begegnung geschah eines Tages, als mir der Name »Korinthius« auf einem Zeichen über einer Tür auffiel. Ich blieb stehen, denn mir fiel der alte Grieche ein, der mein Lehrer gewesen war, als ich noch klein war. Aus dem Innern des Hauses vernahm ich junge Stimmen, die griechische Verben konjugierten. Korinthius hatte mir gesagt, er wolle eine Schule gründen. Ich bat Philipp, der mich begleitete, anzuklopfen und sich zu erkundigen. Kurz darauf trank ich Wein mit einem jungen Mann, der mir erzählte, er sei der Sohn meines alten Lehrers, der geheiratet habe, als er nach Londinium gekommen sei. Er habe einen Sohn gezeugt, der seine Schule einmal erben
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