Die Priesterin von Avalon
erwartet, war sie sehr schön, hatte weiße Haut und schwarze Locken, die ihr auf die Schultern fielen. Aber sie war nicht so jung, wie sie auf den ersten Blick wirkte, denn die Furchen in den Mundwinkeln zeugten von Verbitterung, und unter den dunklen Augen lagen tiefe Schatten.
»Teleri…«
Es dauerte lange, bis sie reagierte, als wäre ihr Geist auf Reisen gewesen. Doch sie nahm mich in Augenschein, als sie das blaue Gewand sah.
»Wer bist du?«
»Eine Freundin - du musst mit mir kommen, Teleri. Such zusammen, was du mitnehmen willst.«
»Die Diener haben meine Juwelen mitgenommen«, flüsterte sie, »aber sie gehörten nicht mir, sondern ihm. Ich habe nichts… ich bin nichts, so allein auf mich gestellt.«
»Dann komm, wie du bist, aber schnell. Der Cäsar wird dir kein Leid antun, aber ich glaube nicht, dass du seine Siegestrophäe sein willst.«
»Warum sollte ich dir vertrauen? Alle anderen haben mich verraten, sogar Avalon.«
Ich war froh, als ich sah, dass sie sich einen gewissen Selbsterhaltungstrieb bewahrt hatte, doch es blieb keine Zeit, unschlüssig zu zögern. Von fern hörte ich ein Geräusch wie die Meeresbrandung, und ich wusste, dass die Menschen von Londinium in Hochrufe ausbrachen. Ich zog meine Palla zurück, sodass sie den verblassten Halbmond auf meiner Stirn sah.
»Weil auch ich einst eine Priesterin war. Im Namen der Großen All-Mutter flehe ich dich an, mitzukommen.«
Es dauerte lange, bis wir die Blicke voneinander lösten. Ich weiß nicht, was sie in meinen Augen las, doch als ich eine Hand ausstreckte und mich zum Gehen wandte, legte Teleri sich ein Bettlaken um und folgte mir.
Wir kamen gerade rechtzeitig. Als mein Wagen knarrend durch das Tor fuhr und in die Seitenstraße einbog, vernahm ich vom Forum her den Klang von Militärfanfaren und das rhythmische Klappern genagelter Sandalen. Ich krallte mich so fest in den Holzsitz des Karrens, bis die Knöchel weiß hervortraten. Die Menschen riefen etwas, und während wir unseren Weg fortsetzten, wurden die Worte immer deutlicher:
»Redditor Lucis, redditor lucis!«
Erneuerer des Lichts…
Meine geschlossenen Augen vermochten die Helligkeit nicht auszuschließen, die in mein Bewusstsein drang. Konstantius nahte, seine Gegenwart war wie ein Strahlen in meiner Seele. Spürte er, dass ich in der Nähe war, oder reichten die Pflichten seines Amtes und der Tumult um ihn herum aus, ihn abzulenken?
Während die Bewohner Londiniums ihren Retter lautstark willkommen hießen, rannen mir stille Tränen über die Wangen.
13. Kapitel
A. D. 296-305
In den Wochen, die Konstantius in Britannien verbrachte, blieb ich meinem Gelübde treu und unternahm keinen Versuch, ihn zu sehen, doch meine Selbstdisziplin forderte ihren Tribut. Meine Monatsblutungen, die nie regelmäßig gewesen waren, hatten beinahe aufgehört; nun kamen zu meinem Elend auch noch verschiedene andere Symptome hinzu, angefangen von Herzklopfen bis hin zu Hitzewellen, die mich durchnässten, als weinte mein ganzer Körper.
Inzwischen bejubelte die Stadt die Nachricht, dass Theodora Konstantius ein weiteres Kind geschenkt hatte. Ich wusste, dass er nach unserer Trennung am Boden zerstört war, aber mit der Zeit hatte er wohl die Vorteile einer Gemahlin königlichen Geblüts, noch dazu einer jungen und fruchtbaren, zu schätzen gelernt. Die Klugheit, die mich bisher davon abgehalten hatte, ihm unter die Augen zu treten, wich der Verzweiflung.
Die weisen Ratschläge, die ich Teleri hatte mit auf den Weg geben wollen, blieben unausgesprochen. Ihr zuliebe hatte ich ihn nicht einmal flüchtig zu Gesicht bekommen, was mir ansonsten vergönnt gewesen wäre, obwohl ich selbst das zum damaligen Zeitpunkt für unklug gehalten hatte. Konstantin schrieb mir, er werde mit Diokletian nach Ägypten gehen, um einen gewissen Domitius zu bekämpfen, der dort einen Aufstand angezettelt hatte, und so kam zu meinen anderen Sorgen auch noch die Angst um seine Sicherheit.
Dann verließ Konstantius Britannien, und ich erfuhr, was Verzweiflung wirklich hieß. Ich lag hinter verschlossenen Vorhängen in meinem Schlafgemach und weigerte mich aufzustehen und mich anzukleiden, und weder Drusillas köstliche Rezepte noch Hrodlinds Bitten und Betteln konnten mich dazu bewegen, etwas zu essen. Fast eine Woche lag ich danieder und duldete niemanden in meiner Nähe außer Hylas, der jetzt so alt geworden war, dass er seine Tage dösend vor der Kohlenpfanne verbrachte, obwohl er es sich im Haus nicht
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