Die Priesterin von Avalon
Truppen, die er aus Afrika mitgebracht hat?«
»Was die Qualität betrifft…«, hier grinste er breit. »Von der Quantität her, nein. Aber ich bin der bessere General. Die Überzahl spielt keine Rolle, wenn sie nicht gut geführt ist.«
»Mögen alle Götter dir ihren Segen spenden«, sagte ich stirnrunzelnd.
Seine Miene wurde ernst. »Wenn ich wüsste, welcher Gott mir den Sieg garantieren könnte, würde ich ihm einen Tempel versprechen - ich würde ihn an die erste Stelle der anzubetenden Götter des Imperiums setzen. Ich muss Maxentius bekämpfen, und es muss jetzt geschehen, aber du hast Recht, das Ergebnis hängt von der Gunst des Himmels ab. Bete für mich, Mutter - die Götter hören auf dich!«
»Ich schließe dich immer in meine Gedanken und meine Gebete ein«, antwortete ich, als das Schweigen zu lange anzudauern drohte. Ich liebte Konstantin. Er war der Mittelpunkt meines Lebens. Aber es gab Zeiten, da er anscheinend mehr brauchte, als ich ihm zu geben verstand.
Am nächsten Tag war er abgereist, vermutlich um seine treuen Truppen am Rhenus zu sammeln. Dies war nicht angekündigt worden, wahrscheinlich um seinen Feind nicht zu warnen. Später sollte ich erfahren, dass Maxentius, der eine Truppenbewegung Konstantins vorausahnte, die Verteidigung des Nordens Ruricius Pompeianus überlassen hatte und selbst in Rom geblieben war, falls Licinius rechtzeitig mit den Persern fertig würde, um ihn anzugreifen. Damals konnte ich selbst mit den wenigen Nachrichten, die wir bekamen, nichts anfangen, denn Crispus hatte sich bei den Kindern des Gärtners mit einer Kinderkrankheit angesteckt, und während er sich rasch erholte, steckte ich mich bei ihm an, da ich ihn gepflegt hatte.
Zuerst bekam ich roten Hautausschlag, dann brach Fieber aus, und es wütete wie Feuer in meinen Knochen. Wenn es diese Krankheit auch bei uns in Britannien gab, dann hatten meine Kindheit und Jugend in Avalon mich davor geschützt. Und wie so oft, wenn ein Erwachsener sich eine Kinderkrankheit einfängt, trat sie bei mir viel schlimmer zutage als bei Crispus.
Gegen Ende Oktober schwankte ich zwischen Stumpfsinn und Delirium. In wachen Momenten hörte ich Städtenamen: Segusio, Taurinorum, Mediolanum und später Verona, Brixia, Aquileia, Mutina. Danach erst sollte ich erfahren, dass es die Städte waren, die Konstantin erobert hatte. Nachdem er seinen Soldaten in der ersten Stadt das Plündern untersagt hatte, war ihm die rasche Kapitulation der nächsten schon sicher. Ich focht indessen meine eigene Schlacht aus, und während die Tage dahinzogen, spürte ich, dass ich sie verlor.
Die Ereignisse um mich herum zogen wie ein böser Traum vorüber. In dem Zwischenstadium, in dem ich mich befand, weder in der Welt der Menschen noch in der Geistwelt, spürte ich, dass die Jahreszeit auf Samhain zudriftete, den Zeitpunkt, an dem für die Britannier das alte Jahr endet und das neue heranreift. Da gibt es einen Moment, in dem sich eine Pforte zwischen den Welten öffnet und die Toten zurückkehren.
Ein guter Zeitpunkt, um zu sterben , dachte ich in meinem Dämmerzustand. Ich bedauerte nur, dass ich keine Möglichkeit hatte, Abschied von Konstantin zu nehmen. Mir war, als ginge nicht mein Leben, sondern eine Ära zu Ende, obwohl ich erst viele Jahre später die wahre Bedeutung jener Zeit um Samhain begriff.
Eines Tages stieg das Fieber wieder an, und mein Geist, befreit von einem schwachen Körper, wandelte zwischen den Welten. Ich sah das Land unter mir ausgebreitet, und die Liebe trug mich ostwärts, wo mein Sohn seinem Feind gegenübertreten würde. Ich erblickte eine große Stadt an einem Fluss. Es musste Rom sein. Doch Maxentius' Truppen hatten den Tiber ein Stück weiter stromaufwärts überquert und formierten sich gegenüber der kleineren Streitmacht Konstantins in Schlachtordnung. Der Winter brach früh an, und in der frostigen Luft schien die Sonne förmlich zu zerspringen; ihre Strahlen brachen sich über dem Horizont, sodass sie ein Lichtkreuz bildeten.
Konstantins Truppen forderten den Feind heraus, seine gallische Reiterei wich der schwerer bewaffneten italienischen aus und überwältigte die Numider. Ich sah Konstantin in seiner goldenen Rüstung, und seine Leibwache, die das griechische XR als Glückszeichen auf ihre Schilder gemalt hatte.
Maxentius' Prätorianer starben auf der Stelle, die übrigen gaben auf und flohen. Unter dem plötzlichen Gewicht brach die Brücke und ließ Männer wie Pferde gleichermaßen in die
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