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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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an dir zweifelst.«
    »Küß mich, bitte!«
    Da kam er auf Knien an sie herangerutscht, nahm ihren Kopf sanft zwischen die Hände und zog sie zu sich herunter. Die Lippen berührten sich, und Alena fühlte sich geborgen, weil die großen Hände des Hünen sie einhüllten in ein warmes, weiches Nest.
    Wieder und wieder küßten sie sich. Alena wollte es zu einem großartigen Erlebnis für ihn machen, wollte, daß er es nicht vergaß, daß es ihn glücklich machte, so daß er sie immer wieder würde küssen wollen. Sie biß ihn zärtlich in die Unterlippe, küßte seine Mundwinkel, rührte ihn mit der Zungenspitze an. Sie küßte fein und wild, langsam und schnell, stieß ihn kurz mit ihren Lippen an, neckte ihn, nahm ihn endlich in einem langen Kuß auf. Die Fingerspitzen, die ihr Gesicht kneteten, zeigten deutlich, daß er alles um sich herum vergaß. Er versank.
    Statt sie glücklich zu machen, machte es sie unglücklich.
    Je voller Embricho wurde, desto leerer fühlte sie sich. Irgendwann begann sie, ihn zu beobachten: das Gesicht mit den geschlossenen Augen, den Atem, den er keuchend zwischen den Küssen schöpfte, die Schultern, die er emporzog. Trauer ließ sie ruhig werden, kraftlos. Er liebte sie ja nicht. Er war gefangen von ihrem Kuß, aber er liebte sie nicht.
    Sie löste sich von ihm. Es dauerte nicht lange, bis sein Blick das wilde Sprühen verlor und Taubheit das Gesicht eroberte. Eine Maske aus Ton, die allmählich abkühlte. Das Zucken um seine Mundwinkel, das Reue verriet, tat ihr weh.
    »Wie heißt sie?« fragte Alena.
    Der Hüne erhob sich. »Heilwich.«
    »Seid ihr den Bund der Ehe eingegangen?«
    »Nein.«
    »Aber du hast es ihr versprochen.«
    »Ja, als wir noch Kinder waren.«
    »Siehst du sie oft?«
    »Manchmal. Sie ist Leibeigene.«
    »Das bedeutet?«
    »Sie gehört einem Herrn. Er bestimmt, wen sie heiratet. Die Kinder aus dieser Verbindung gehören genauso dem Herrn.«
    Sie setzten wieder Fuß vor Fuß, gingen nebeneinander her in den Karrenrinnen des Weges, wie die Ochsen vor einem Wagen hertrotten. Keiner sah den anderen an.
    »Was ist, wenn er nicht dich erwählt?«
    »Ich habe bereits mit ihm verhandelt. Ich kaufe sie frei. Wir warten nur noch darauf, daß ich genug Geld zusammenbekomme.«
    »Wenn sie nicht gut aussieht, was liebst du dann an ihr?«
    Der Hüne schwieg, schien zu überlegen.
    Alena mühte sich, einen Schild von dickem, eisenbeschlagenem Holz vor ihr Herz zu heben. Was auch immerer jetzt sagte, es war das, was ihm an ihr fehlte. Es war das, was ihn bewegte, diese Frau über sie zu setzen.
    »Heilwich ist treu und geduldig. Sie hätte andere Unfreie heiraten können, aber sie hat sie alle ausgeschlagen, weil sie mir vertraut, obwohl sie weiß, daß ich im Kastell Frauen kennenlerne, die besser gestellt sind als sie. Es ist da etwas … Sie weiß, daß sie viel wert ist. Es ist eine Art von Stolz, aber ein stiller, ruhiger Stolz, obwohl sie die niedrigste Arbeit verrichten muß.«
    Alena raunte: »Und diesen Stolz habe ich nicht?«
    »Sicher, auf deine Art hast auch du diesen Stolz. Was Heilwich besonders macht, ist … Ich glaube, nichts könnte sie brechen.«
    »Auch nicht, wenn du sie verwerfen würdest?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht ist es das einzige, das sie brechen könnte. Es würde sie an einer Stelle treffen, die niemand sieht, aber die sehr verwundbar ist.«
    Alena konnte nicht sagen, woher es kam, aber plötzlich verachtete sie den Hünen. Sie liebte ihn noch und wollte von ihm gehalten werden, wollte seine Frau sein. Nur kam er ihr mit einemmal schwächer vor, weniger bewunderungswürdig. Sie sah den Schmutz an seinem Hals, die schwarzen Streifen unter den Fingernägeln, roch seinen Atem, der die geräucherten Fische des vergangenen Abends in sich trug. Und diese Frau, Heilwich, die sie nie gesehen hatte, war ihr nahe wie eine Schwester.
    »Würde es dir etwas ausmachen, mir, wenn du mich schon nicht liebst, wenigstens Vertrauen zu erweisen? Es ist alles so kalt. Erzähle mir von eurem Plan.«
    »Von welchem Plan?« Er wußte es genau.
    »Rethra, du weißt, was ich meine.«
    »Alena, ich –«
    »Entschuldige.« Knapp sägte sie die Worte. »Ich frage nie wieder.«
    Geräuschvolles Atmen. Zögerliche Laute. »Es ist … Rethra hat einen wunden Punkt. Der heidnische Kult, dasMachtgebilde, sie sind dort verletzlich, wo sie am stärksten sind. Wenn das Orakel nicht mehr arbeiten kann, wird auch Rethra untergehen. Und für das Orakel ist die heilige Stute

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