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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Obodritenfürsten in fränkischer Sprache zu. »Haltet Euch bitte zurück in der Art, wie Ihr sie anschaut. Sie sehen Eure Zweifel. Die Waffen der Sachsen sitzen locker.«
    Kittel, Beinwickel und Lederkappen tanzten auf der Au. Speere reckten sich in den Himmel und Lanzen in doppelter Mannslänge, Bögen aus Ulmenholz knarrten, während die Schützen die Sehne aus mehrfach gezwirnter gefetteter Hanfschnur aufspannten. Gänsefederpfeile wurden probeweise aufgelegt. Dann kam Bewegung in die Menschenflut. Nach Süden, hatte Javor geraten, um die Furt zu umgehen.
    Der fränkische Arm, die unterworfenen Sachsen sendend, hatte sich mit dem obodritischen vereinigt. Zwei Pranken streckten sich nach Rethra aus.
     
    Tropfen lösten sich in der Ferne und in der Nähe von den Ästen und klopften auf den Boden. Die Luft trocknete allmählich. Vereinzelt flöteten Vögel Gesänge, zögerlich.
    Für jedes Zucken seiner Finger war Alena dankbar. Embrichos Hand fühlte sich schlaff an, schläfrig. Während Alena von Zeit zu Zeit die Fingerspitzen über die Haut des Hünen strich oder ihn durch einen sanften Druck der Knöchel ihrer Zuneigung versicherte, schien er die Berührung der Hände nur hinzunehmen. Es war ihre Kraft, die die Finger zusammenhielt: Zwar zog er seine nicht zurück, doch sie war sicher, ließe sie die Sehnen locker, so fiele seine Hand heraus aus ihrem Griff.
    Der Hüne lachte – ein dunkles Dröhnen aus einem leeren Krug. »Du meinst, dein Vater ist ein echter Griesgram?«
    »Nein, kein Griesgram.«
    »So ein richtiger mürrischer Isegrimm!« Er lachte wieder.
    »Nein, nein, so ist er nicht. Er macht nur ein würdevolles Gesicht. Und er verzieht keine Miene, wenn ihm ein Scherz nicht gefällt.«
    »Was recht häufig geschieht, nehme ich an?«
    »Nur dann, wenn er übel gelaunt ist. Es ist mitunter so, daß Unachtsamkeiten anderer ihm den Tag verderben, den er geplant hatte, und dann beginnt er, sich zu ärgern.« Der gleiche Mann, dem sie jetzt den Handrücken streichelte, hatte gestern abend Kitan fortgeschickt. Konnte sie jemanden lieben, der in Kindern eine Belästigung sah? Belohnte sie ihn nicht gerade für das ungnädige Handeln? Alena zog an der Hand des Hünen, brachte ihn dazu stehenzubleiben. »Weißt du, daß ich sehr wütend auf dich bin?« Unerbittlich hielt sie ihn mit ihrem Blick fest.
    »Wütend?« Embricho lachte. Er löste die Hand aus ihrerund breitete die Arme aus. »Du gehst mit mir plaudernd und scherzend durch den Wald und bist wütend auf mich?« Sein Mund verzog sich zu einem weiten Grinsen. »Woran zeigt sich das? Und wie zärtlich bist du erst, wenn du
nicht
wütend bist?«
    »Das ist nicht lustig. Ich trage den Zorn in mir drin.« Sie tippte auf ihren Bauch. »Dort.«
    »Welchen Grund hast du, zornig zu sein?«
    »Kitan. Du hast ihn fortgestoßen wie einen Hund. Ein Kind ist er, und du wolltest ihn vertreiben, als wäre er eine Mücke, die deinen Kopf umschwirrt.«
    »Ach, daher heulen die Wölfe. Hör zu, ich kann es verstehen, daß dir, einem Weib, beim Anblick eines Kindes das Herz übergeht. Ihr Frauen vergeßt aber die kalte Wirklichkeit, wenn etwas eure Zuneigung erlangt hat. Das Kind hatte nichts an unserem Lagerplatz verloren.«
    »Nichts verloren, so. Das Brot durfte es aber verlieren, ja? Dafür war Kitan gut genug – Brot heranzuschaffen für die hungrigen Männer.«
    Stumm drehte der Hüne sich um und folgte weiter dem Weg. Alena mußte ihm folgen, wenn sie nicht wie ein geprügeltes Tier stehengelassen werden wollte. Als sie neben Embricho erschien, sagte er, ohne den Blick vom Weg zu nehmen: »Ich weiß gar nicht, was du daran so schlimm findest. Er ist kein Waise, der nicht weiß, wo er zur Nacht den Kopf hinlegen soll. Das hat uns sein Vater heute morgen zur Genüge eingebleut. Hat deine blinde Fürsorge jemandem genützt? Der Junge wird eine Strafe erhalten haben, weil er mit dir gegangen ist, wir sind knapp dem Tode entronnen, und dem Vater hat Brun das Haar büschelweise vom Kopf gerissen.
Das
ist der Grund, warum ich diesen Burschen am Abend nach Hause schicken wollte.«
    »Du konntest nicht wissen, daß es so kommen würde.«
    »Natürlich nicht. Es war eine Ahnung. Ich habe den Jungen gesehen und gespürt, da kommen Schwierigkeiten auf uns zu.«
    »Es ist nicht, daß du Kinder nicht leiden kannst?«
    »Nein.«
    Behutsam fand das Lächeln zurück auf Alenas Gesicht. Sie fühlte sich leicht – es war, als hätte sie den ganzen Weg eine schwere Kiepe mit

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