Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
Laub. Als Alena und Kitan den Lagerplatz erreichten, erblickten sie die Franken in keuchender Runde, in ihrer Mitte Brun, der den baumdicken Arm um den Hals des Bootsbauers geschlungen hatte. Bruns Pranke krallte sich in das Haar über dem knochigen Gesicht.
»Brich ihm das Genick«, wies ihn Tietgaud an.
»Nein«, rief Alena. »Wartet! Es ist Kitans Vater.«
»Ein Irrer ist es!« Embricho hielt an langem Schaft einen eisernen Hammerkopf in die Höhe. »Damit wollte er uns erschlagen. Er ist ins Lager gestürmt, hat wirr herumgeschrien, unverständliche Worte aus dem rotem Gesicht gekotzt. Hätte Brun ihn nicht von hinten ergriffen – wir lägen alle mit zerschmettertem Kopf herum.«
»Er ist besessen«, raunte Tietgaud. »Die bösen Geister fürchten uns. Sie wollen nicht, daß wir Rethra erreichen. Nun schicken sie ihre kranken Boten aus den Wäldern. Töte ihn, Brun.«
In Alena fauchte Wut auf, weiße Glut, die zischte und ihr durch den Bauch fuhr. Natürlich hatte der Marder für alles eine Erklärung. Die Hände zu Fäusten gekrampft, ging sie auf Brun los: »Du nimmst sofort die Hände von dem Mann, hast du mich verstanden?«
Der Bulle erbleichte. Er lockerte den Arm am Hals des Bootsbauers, ohne ihn ganz zu lösen.
»Bist du taub? Dieser Mann« – fast schlug sie Kitans Vater ins Gesicht – »ist Bootsbauer und der Vater des Jungen, der letzte Nacht bei uns geschlafen hat. Er hat nicht unverständliches Zeug gebrüllt, sondern euch gefragt, wo sein Sohn ist. Ohne daß ihr antworten konntet, weil ihr nur euer kratziges Fränkisch beherrscht und keine anständige Sprache.«
»Niemand geht sein Kind mit so etwas suchen.« Embricho hob den Hammer.
»Das ist sein Werkzeug, und bei allen Geistern, er hätte es eingesetzt, wenn er damit die träfe, die seinem Sohn etwas angetan haben.«
Tietgaud trat zu Alena und Kitan herüber. Er sah den Jungen an, den Mund zu einem strengen Strich verzogen. Die Augen funkelten böse. »Ist das dein Vater?«
Kitan wich zurück, drückte Kopf und Körper gegen Alenas Beine.
»Er fragt, ob es dein Vater ist«, übersetzte sie.
Der Junge nickte.
Der Marder gab Brun einen Wink, und dieser ließ den Bootsbauer los. Kaum hatten sich Bruns Arme gelöst, schnellte der Mann herum und schlug dem Bullen die Faust ins Gesicht. Bruns Kopf wurde zurückgeworfen, er taumelte, hob stöhnend die Hände vor das Haupt. In wilder Entschlossenheit trat Kitans Vater auf Embricho zu undentriß ihm den Hammer. Damit wendete er sich Alena zu. »Eine Räuberbande«, zischte er, »Gesetzlose führst du. Ich weiß nicht, was die in Rethra verloren haben.« Dann rief er laut: »Kitan!«
Mit zögerlichen Schritten näherte sich der Junge.
»Komm.« Der Bootsbauer legte die Hand auf Kitans Nacken und schob ihn vorwärts.
Niemand sprach, während sich die beiden durch den Wald entfernten. Nur Brun ächzte leise. Er betastete seinen rechten Wangenknochen.
»Habe ich nicht gesagt, ein Kind hat hier nichts verloren?« sagte Embricho schließlich. Als er Alenas wütenden Blick bemerkte, zuckte er zusammen. »Der ganze Ärger …«
»Spürt ihr das auch?« raunte Audulf. Er blickte sich mit großen Augen um, musterte die Bäume, die Sträucher.
Dann sah er Alena an. Die weit geöffneten Augen, das leichte Beben der Nasenspitze – ohne, daß sie es wollte, sprang Audulfs Unruhe auf sie über. »Ich glaube, wir werden beobachtet«, sagte er.
23. Kapitel
»Ins Gebiet der Tollensanen.« Der Bischof hatte sich einen kostbaren Hermelinmantel übergeworfen. Bleich blähte sich sein Hals, während er die sächsischen Laute formte. »Werden wir entdeckt, kann es zu Kämpfen kommen. Laßt keinen am Leben. Rethra darf nicht gewarnt werden.«
Sie standen auf einem kleinen Hügel am westlichen Peeneufer. Einige Schritte entfernt verfolgte Javor mit mißtrauischen Blicken die Unterredung der drei Sachsenführer mit dem fränkischen Bischof.
Kein Wort kam über die Lippen der Sachsen. Sie nickten knapp, schlossen die Schnallen der Schwertgehänge knapper. Dann verwandelten sie sich in düstere Rachegestalten: Einer nach dem anderen stülpte sich einen greulichen Helm über, eiserne Masken, die Augen und Nase in Dämonenfratzen verwandelten. Allein der Mund blieb sichtbar, streng, würdevoll. Durch die Augenlöcher glühten Blicke. Silberbenietete Rundschilde vor der Brust, wandten sie sich um, schritten mit wehenden Mänteln hügelab zum Heer.
»Es sind Adlige«, raunte Altfrid dem
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