Die Principessa
vorbeugten, als wollten sie wie in einem Theater das Geschehen unten in der Kapelle verfolgen, wo Flüche und das Anstoßen von Eisen auf Stein zu hören waren. Kein Zweifel, dort wurde gearbeitet.
»Los! Beeilt euch! Ich will hier nicht die ganze Nacht verbringen.«
Als Francesco die Stimme hörte, zuckte er zusammen. Er kanntesie fast so gut wie seine eigene – sie gehörte Lorenzo Bernini. Er machte einen Schritt zurück in den Schatten. Dann war es also doch wahr, was man sich auf den Baustellen erzählte: Der Cavaliere arbeitete wieder. Francesco kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Ein paar Männer richteten unterhalb der Loge eine Figurengruppe auf und rückten sie an ihren Platz.
»Vorsicht! Passt auf den Engel auf!«
Für eine Sekunde regte sich in Francesco Neid. Zwar hatte er als Steinmetz seine Cherubim aus dem Stein gehauen, aber die eigentliche Bildhauerei, die Kunst, mit der sich die Mächtigen dieser Welt so leicht erobern ließen, hatte er nie erlernt. Dann aber verspürte er umso größeren Stolz: Er hatte Papst Innozenz auch ohne ein Porträt aus Marmor für sich gewonnen, allein durch die Kraft seiner Ideen.
»Zünde die Fackel an, Luigi! Man sieht ja kaum die Hand vorm Gesicht!«
Ein heller Lichtschein loderte auf, und plötzlich sah Francesco die ganze Seitenkapelle: ein einziger Schwall von Farbe und Bewegung, bekrönt von einer Glorie, deren glänzende Strahlen ein Wolkengebirge durchbrachen, um sich über den Altar zu ergießen.
»Ah, ist sie nicht herrlich!«, rief Bernini, der mit dem Rücken zu Francesco vor dem Altar stand und den Blick verdeckte. »Ich glaube, das ist das Schönste, was je aus meiner Hand hervorgegangen ist. – Ja, so ist es!«, sagte er dann zu seinen Gehilfen. »Erzählt das weiter, genau so, mit diesen Worten, in der ganzen Stadt! Sagt jedem: Das ist das herrlichste Werk, das der Cavaliere Bernini je erschaffen hat.«
Francesco schüttelte den Kopf. Wie konnte ein Mann, der als erster Künstler Roms galt, sich so erniedrigen! Seinen eigenen Ruhm so schamlos zu verbreiten! Hatte er denn keinen Stolz? Angewidert wollte er sich abwenden und hinaus auf die Straße gehen, wo die Arbeiter ihr Gerät zu verstauen begannen. In diesem Augenblick aber trat Bernini beiseite, um einem Gehilfen Platz zu machen, und gab den Blick auf den Altar frei.
Als Francesco die Skulptur darauf erblickte, erstarrte er wie einst Lots Weib, als sie hinter sich schaute und die Städte Sodom und Gomorrha sah.
5
Donna Olimpia stand am Fenster des Palazzo Pamphili und schaute hinaus auf den Platz, wo die Römer den dritten Tag des Karnevals feierten. In stets neuen Wogen stieg der Jubel der Menge zu ihr herauf, die trotz der eisigen Kälte an diesem Morgen ihrer Begeisterung über das prächtige Schauspiel, das der Scharfrichter ihr bot, immer lauteren Ausdruck verlieh. Hatte er die ersten Hinrichtungen noch durch einfaches Erhängen vollzogen, ergötzte er nun sein Publikum damit, dass er die Verurteilten abwechselnd köpfte oder vierteilen ließ.
Donna Olimpia schloss das Fenster und wandte sich ab. Das Spektakel konnte ihr keine Freude bereiten – sie hatte ernsthafte Sorgen. Ihr Sohn Camillo, den Innozenz bereits zum Kardinal Padrone und damit zum zweitmächtigsten Mann im Vatikanstaat ernannt hatte, liebäugelte, ohne ein Hehl daraus zu machen, mit der schönen Wittfrau des Fürsten Rossano. Seit letztem Donnerstag schon verbrachte er die Nächte in ihrem Haus. Was für ein Skandal! Camillo galt doch als untauglich zur Ehe, seine mangelnde Zeugungsfähigkeit war bei seiner Berufung in das Heilige Kollegium als Gotteszeichen gewürdigt worden, als Ausgleich für die fehlende Priesterweihe. Und dann die Ausgaben, die im Falle einer solchen Vermählung drohten – sie würden ins Unermessliche steigen. Aber mehr noch ängstigte Donna Olimpia etwas anderes: Wenn ein Mann, darüber gab sie sich keinen Illusionen hin, erst einmal den Reizen einer so jungen und so schönen Frau wie der Fürstin Rossano erlag, die zu allem Überfluss auch noch denselben Vornamen trug wie sie – Olimpia –, würde er seineMutter darüber sehr bald vergessen. Und Camillo war doch alles, was sie besaß auf dieser Welt, ihr einziger Lebenszweck. Wenn sie ihn verlor, verlor ihr Dasein seinen Sinn.
Ob sie zum Corso fahren sollte? Wenn die Krüppel und Juden dort bei dieser Kälte nackt um ihr Leben liefen, würde es sicher einiges zu lachen geben. Die ersten Wettrennen waren für den Mittag
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