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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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der Tafel erhoben und trat an ein zierliches Wandtischchen zwischen zwei Fenstern. »Was ist das?«, fragte er, das eben noch mürrische Gesicht voll ungläubigem Staunen.
    Clarissa schaute von ihrem Teller auf und sah, was die Aufmerksamkeit des Papstes erregt hatte. Auf dem Tischchen, von einem eigenen Kronleuchter beschienen, genau in Innozenz’ Blickrichtung, stand das Modell eines Brunnens aus glänzend poliertem, tausendfach funkelndem Silber: ein Obelisk und zu seinen Füßen vier allegorische Gestalten.
    »Was für ein prachtvolles Werk!«, sagte Innozenz, den Blick wie gebannt auf die silberne Figurengruppe gerichtet. »Wir können uns nicht entsinnen, je Schöneres gesehen zu haben.«
    »Nicht wahr?«, gluckste Donna Olimpia, die gleichfalls aufgestanden war. »Ich habe das Modell eigens für Euch hier aufstellen lassen. Ich dachte, das wird Euch Freude machen.«
    Innozenz nickte nachdrücklich mit dem Kopf. »Habe ich nicht immer gesagt, dass Signor Borromini ein überaus tüchtiger Architekt ist? Der tüchtigste, den wir haben?« Er hob den Finger, und während er in die Runde seiner Nepoten blickte, die inzwischen allesamt aufgestanden waren, fügte er mit einem feinen Lächelnum den sonst so strengen, harten Mund hinzu: »Und ein Architekt, der auf die Kosten schaut! Monsignore Spada hat uns berichtet, dass in San Giovanni die neuen Mauern im Rohbau schon stehen und fast alle Eindeckungsarbeiten beendet sind, ohne dass die Kosten bislang nur um einen Scudo überschritten wurden.«
    »Ich habe gehört«, sagte Camillo, der als Einziger noch an der Tafel saß und aß, über die Schulter, »dass ihm neulich der Orden des spanischen Königs verliehen wurde.«
    »Das freut uns sehr«, sagte Innozenz. »Signor Borromini hat solche Auszeichnung redlich verdient.«
    Die Kardinäle nickten einmütig mit dem Kopf, und ein zustimmendes Raunen erhob sich im Saal. Clarissa spürte, wie ihr Herz zu klopfen anfing – so sehr freute sie sich über das Lob und die Anerkennung, die ihrem Freund zuteil wurden. Doch währte ihre Freude nur kurz. Kaum dachte sie an Borromini, beschlich sie ein unbestimmtes Schuldgefühl. Seit seinem Besuch in ihrem Observatorium hatte er ihr keine Aufwartung mehr gemacht, obwohl sie ihn doch ausdrücklich dazu aufgefordert hatte. Hatte auch er die Theresa gesehen und ihre Verfehlung erraten?
    Die bösen Ahnungen hatten Clarissa keine Ruhe gelassen, und statt ihre Cousine zur Rede zu stellen, war sie am Palmsonntag zur Kirche Santa Maria gefahren, allein, um die Skulptur in Augenschein zu nehmen. Der Anblick hatte sie entsetzt. Sie kannte die Figur zwar, doch wie sehr war sie verändert, seit sie sie zum letzten Mal gesehen hatte! Aus den Augen der Heiligen, aus ihrem Gesicht, aus jeder Pore ihrer Marmorhaut und jedem Faltenwurf ihres steinernen Kleides sprach die Verzückung, die Clarissa selbst empfunden hatte. Nach diesem Besuch war es ihr nicht mehr möglich gewesen, mit irgendeinem Menschen über die Figur zu sprechen. Wer immer sie so sah und dem äußeren Anschein Glauben schenkte, ohne um die innere Wahrheit jenes Augenblicks zu wissen, den Bernini in diesem Bildnis verewigt hatte, hatte alles Recht dieser Welt, siezu verdammen. Aber – gab es nur das Recht dieser Welt? In Clarissas Angst, dass Borromini ihr Abbild in Santa Maria gesehen hatte, mischte sich die Angst, ihren einzigen Freund zu verlieren.
    »Dann gefällt Euch also der Brunnen?«, fragte Donna Olimpia forschend ihren Schwager.
    »Über alle Maßen«, erwiderte Papst Innozenz. »Sie haben uns damit wirklich eine große Freude gemacht. Doch kehren wir nun zurück an den Tisch! Das Essen wird kalt, und es wäre Sünde, die Gottesgaben verkommen zu lassen.«
    Er wandte sich ab, aber seine Schwägerin hielt ihn zurück.
    »Noch eine Kleinigkeit, Heiliger Vater.«
    »Ja?«
    »Das Modell«, Donna Olimpia zögerte, bevor sie den Satz vollendete, »es … es ist nicht von Borromini.«
    »Nicht von Borromini?« In Innozenz’ Gesicht wechselten Überraschung und Enttäuschung.
    »Nein, Ewige Heiligkeit. Cavaliere Bernini hat es für Euch gegossen.«
    »Bernini?«, entfuhr es dem Papst, als wäre dies der Name des Antichrist. »Wir hatten ihn doch ausdrücklich vom Wettbewerb ausgeschlossen!« Die Enttäuschung in seinem Gesicht wich aufflammendem Zorn. »Was maßt dieser Mensch sich an? Immer wieder tut er Dinge, für die wir ihn exkommunizieren sollten. Gerade erst hat er sich an der heiligen Theresa versündigt, sie wie

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