Die Principessa
Clarissa.
»Luigi? Du? Was … was willst du von mir?«
Mit einem breiten Grinsen musterte Luigi die beiden – erst Clarissa, dann seinen Bruder. Wie zwei Kinder, die man beim Naschen erwischt hat. Oder wie eine Maus, die in eine Falle getappt ist.
»Ich dachte, wir sollten noch mal die Pläne für die Leitungen durchgehen. Damit bei der Inspektion nichts schief geht.«
21
Principe Camillo Pamphili, vormals Kardinal Padrone, inzwischen aber Ehemann der schönen Olimpia Rossano sowie Bauherr des Forum Pamphili, setzte sich ein zweites Mal in seinem Leben über die Einwände seiner Mutter hinweg, um sein Wort, das er Francesco Borromini gegeben hatte, tatsächlich zu halten. Zwar bestellte er den Lateranbaumeister nicht, wie dieser insgeheim erhofft hatte, zum offiziellen Architekten des Forums, doch übertrug er ihm nach und nach immer größere Verantwortung bei der Planung und Durchführung des gewaltigen Unternehmens.
Jetzt sollte Francesco sogar die Familienkirche Sant’ Agnese neugestalten, eine Aufgabe, die ihn über alle Maßen reizte. Sein Plan sah eine Fassade vor, die flankiert wurde von zwei auseinander gerückten baldachinartigen Glockentürmen: eine Gliederung, die er ganz ähnlich schon einmal für Sankt Peter erdacht hatte, wo der Entwurf aber, bedingt durch das Unvermögen seines Rivalen, so kläglich an der Wirklichkeit gescheitert war. Hier, an der Piazza Navona, würde der Plan endlich Gestalt annehmen – als unzweideutiger und unwiderlegbarer Beweis, wer in Wahrheit der größte Architekt der Stadt Rom war.
Dennoch war Francesco an diesem Morgen gar nicht guter Dinge. Trotz seines ausdrücklichen Verbots, seine Unterlagen anzurühren, hatte seine Nachbarin an seinem Arbeitsplatz Staub gewischt und dabei seine Pläne in Unordnung gebracht. Eine Unart, die er ihr in zwanzig Jahren nicht hatte austreiben können. Doch insgeheim wusste er, dass diese unbedeutende Missachtung seiner Anweisungen nicht der wirkliche Grund seiner Missstimmung war. In einer Woche sollte Berninis Brunnen eingeweiht werden, und bereits an diesem Morgen wollte der Papst persönlich die Anlage in Augenschein nehmen. Das Wissen darum reichte aus, Francesco die Freude am Dasein gründlich zu vergällen.
Dieser verfluchte Brunnen! Zwölftausend Scudi hatten allein der Transport und die Aufrichtung des Obelisken verschlungen – kein Wunder, wenn für andere, wichtigere Unternehmen das Geld fehlte. Das Volk murrte bereits über die Verschwendung und machte seinem Unmut am »Pasquino« Luft: »
Non vogliamo fontane, ma pane, pane, pane!
Wir wollen keine Brunnen, sondern Brot, Brot, Brot!« Francesco lachte bitter auf. Wie verlogen das Volk doch war! Denn trotz solcher Verse bewunderten die Römer den Brunnen schon jetzt, noch bevor der erste Tropfen Wasser in sein Becken geflossen war, mit einer Begeisterung, als habe ihn Michelangelo persönlich gebaut.
Während Francesco die Einrüstarbeiten an der Kirche Sant’ Agnese beaufsichtigte, musste er immer wieder auf die Brunnenanlage schauen, mit neidvollen Blicken, obwohl ihm fast übeldabei wurde. Wie großartig sie die Piazza gliederte und beherrschte! Liegende Flussgötter waren zwar nichts Neues in Rom, ein halbes Dutzend Brunnen in der Stadt hatten diesen Schmuck – doch in welch herrlich bewegter Haltung lagerten sie um den Obelisken! Sie wirkten so lebendig, als würden sie jeden Augenblick aus dem Becken steigen. Der Nil schien vor der gegenüberliegenden Kirchenfront die Augen zu verdecken, als könnte er ihren Anblick nicht ertragen, während der Rio de la Plata abwehrend die Hand hob, als befürchte er jeden Augenblick den Einsturz des Gotteshauses – eine Verhöhnung von Francescos Kirchenfassade, noch bevor er mit ihrer Gestaltung überhaupt begonnen hatte. Was für eine gemeine, wohl kalkulierte Niedertracht!
Plötzlich wurden Rufe laut, Bewegung entstand auf dem lang gestreckten Platz, an dessen Ende Francesco eine Kavalkade von einem halben Hundert Reitern erblickte. Das musste der Papst mit seinem Gefolge sein. Während die Kavalkade sich in einer Staubwolke auf den Brunnen zubewegte, sah Francesco, wie aus dem Palazzo Pamphili Donna Olimpia und Lorenzo Bernini ins Freie traten. Sie waren nicht allein. Als Francesco erkannte, wer sie begleitete, krampfte sich ihm das Herz zusammen: Die Frau, der Lorenzo Bernini seinen Arm reichte, so natürlich und selbstverständlich, als gehöre sie zu ihm, als hätten Gott, das Schicksal oder die Mächte der
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