Die Principessa
Geräusche. Unter Aufbietung all ihrer Kunst und Fertigkeit bemühte sich Donna Olimpia in den seidenen Kissen, dem welken Leib ihres Schwagers das letzte bisschen Leben abzutrotzen, das in ihm vielleicht noch wohnte. Aber ihre Hoffnung, dass diese Fontäne sich gleich jener auf der Piazza zum guten Ende doch noch ergieße, wollte sich nicht erfüllen.
Sie drehte sich auf den Rücken und starrte gegen den goldglänzenden Baldachin. Gleichmäßig hob und senkte sich Innozenz’ Brust an ihrer Seite.
»Die Hure muss weg!«, sagte sie in die Stille hinein.
»Von wem sprichst du?«
»Von Clarissa McKinney. Du selbst hast sie so genannt.«
»Deine Cousine – eine Hure? Dunkel ist deiner Rede Sinn.«
»Dann will ich ihn dir erhellen.« Olimpia setzte sich auf und suchte nach dem Gesicht ihres Schwagers. »Sie hat Bernini Modell gesessen für das Bildnis der Theresa. Hast du ihre Züge wirklich nicht wieder erkannt?«
»Jetzt, da du es sagst – bei Gott, du hast Recht!« Innozenz wuchtete seinen Körper in die Höhe. »Manches Mal, wenn ich in Santa Maria della Vittoria vor diesem Altar kniete, habe ich mich gefragt, an wen dieses Marmorgesicht mich erinnert. Nun geht mir ein Licht auf!«
»Sie muss weg, bevor sie sich selbst aus dem Staub macht! Luigi Bernini hat mir heute anvertraut, dass sie die Flucht vorbereitet, mit Hilfe des Cavaliere.«
»Sie will fliehen? Mit Bernini?«, fragte Innozenz verwundert.
»Warum sollte sie das tun?«
»Ist das so schwer zu erraten?«, fragte Olimpia zurück. »Um sich der gerechten Strafe zu entziehen! Sie muss doch täglich fürchten, als die Hure des Cavaliere entlarvt zu werden. Schon jetzt haben sie tausende von Menschen in ihrer schamlosen Lüsternheit gesehen.«
»Gott sei ihrer Seele gnädig!«, sagte Innozenz und schlug das Kreuzzeichen.
»Ihrer Seele vielleicht, nicht aber ihrem Leib!«
Eine lange Weile, während der sie beide schwiegen, hingen Olimpias Worte ohne Echo im Raum. Warum erwiderte Innozenz nichts? Warum nickte er nicht wenigstens mit dem Kopf, um ihr Urteil zu bestätigen? Olimpia hörte an seinem schweren Atem, dass etwas in ihm arbeitete. Endlich drehte er sein hässliches Gesicht zu ihr herum, und vorsichtig, als fürchte er sich vor einer Antwort, die nicht in seinem Sinne war, fragte er schließlich:
»Dann hat sie also auch gelogen, als sie über dich sprach?«
Olimpia zuckte zusammen. »Sie hat über mich gesprochen? Was hat sie gesagt?«
»Du würdest behaupten, du allein seiest die Herrscherin von Rom. Und könntest dir darum erlauben, was immer du magst. Weil du dich über allen Menschen wähntest, erhaben sogar noch über dem Papst.«
»Dieses verlogene Miststück!«, zischte Olimpia. »Das ist der Dank! Ich hätte sie nie in meinem Haus aufnehmen dürfen!« Doch im nächsten Moment hatte sie ihre Beherrschung bereits wiedererlangt. »Ich hoffe, Heiliger Vater, Ihr wisst, dass ich solches niemals sagen würde.«
»Wirklich nicht?«
Während sie seinen misstrauischen Blick in der Dunkelheit auf sich spürte, ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Wie unsagbar leid sie es war, diesem Dummkopf, der ohne ihre Führung keinen Schritt vor den anderen zu setzen imstande war, wieder undwieder Folge zu leisten! Doch sosehr sie ihn verachtete, wusste sie zugleich: Sie war nur ein Weib und er war der Papst, und ohne seine Macht waren ihre Pläne Schall und Rauch. Darum war sie an diesen Mann gekettet wie einst Petrus an die zwei römischen Kriegsknechte. Das war der Preis ihres Lebens: dass sie nichts ohne den Mann vermochte, der ohne sie nichts vermochte.
»Wie könnte ich es wagen, Ewige Heiligkeit?«, flüsterte sie. »Ihr seid der Nachfolger Petri und Gottes Stellvertreter auf Erden.«
»So schwöre!«, befahl er mit knarrender Stimme und legte seine schwere Hand auf ihren Kopf. »Schwöre, damit wir deinen Worten Glauben schenken können!«
»Ja, Ihr seid der Herrscher von Rom«, wiederholte sie und folgte dem sanften Druck seiner Hand, um sich über seinen Schoß zu beugen und den Eid zu leisten, den er von ihr verlangte. »Ihr seid Papst Innozenz X., der Pontifex Maximus!«
Sie schob sein Hemd über die Hüfte und ordnete das Gekröse in seinem Schoß.
»Hoc est corpus!«
, stöhnte er und streckte ihr seinen Bauch entgegen.
Wie widerte dieser Hokuspokus sie an! Doch als sie spürte, wie der Druck seiner Hand auf ihrem Kopf sich verstärkte, schloss sie die Augen. »Amen!«, sagte sie, bereit, den Leib ihres Herrn zu
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