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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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ihm zu, trotz ihrer Schwäche, mit vor Begeisterung und Fieber glänzenden Augen, lauschte jedem seiner Worte, mit denen er ihr den Effekt erklärte, ein architektonisches Wunderwerk, beruhend auf mathematischem Kalkül und künstlerischer Imaginationskraft, das er auf der Piazza Navona vollbringen wollte, für immer verewigt in Marmor, Granitund Travertin. Nie hatte Franceso sich einem Menschen näher gefühlt als Clarissa in diesem Augenblick. Staunen und Verstehen sprachen aus ihren Blicken, Bewunderung und Stolz. Kein Zweifel, sie begriff alles, was er ihr erklärte, »erblickte« gleichsam jedes seiner Worte vor ihrem inneren Auge in einem nie geahnten Einvernehmen ihrer Seelen. Es war, als spiegle sich sein Innerstes in ihrem Gesicht – doch seltsam, er empfand nicht die leiseste Scham angesichts dieser Entblößung.
    »Und Sie haben mich auf die Idee gebracht«, sagte er.
    »Ich?«, fragte die Principessa ungläubig. »Wir haben doch nie über das Forum gesprochen!«
    »Trotzdem, es war der Saturn mit seinem Ring. Ich habe ihn in Ihrem Fernrohr gesehen. Eine Tasse mit zwei Henkeln – eine Ellipse.«
    »Ja, ich erinnere mich.« Ein Lächeln füllte Clarissas Gesicht. »Dadurch sind Sie auf den Einfall gekommen?«
    Francesco nickte.
    »Das ist schön«, sagte sie. »Wissen Sie, wie stolz mich das macht?«
    Er erwiderte ihren Blick, dann schlug er die Augen nieder. »Das Unternehmen hat nur einen Makel«, sagte er mit rauer Stimme, »ich heiße nicht Bernini.«
    »Wieso … sagen Sie das jetzt?«
    »Weil ich fürchte, dass die Piazza nur ein Traum bleibt. Sie zu bauen würde Unsummen verschlingen. Und wer stellt einem Steinmetz so viel Geld zur Verfügung?«
    Er legte sein Zeichenbrett fort und steckte den Stift ein. Clarissa schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte sie. »Dieser Platz, diese Kolonnaden werden eines Tages Wirklichkeit, ganz gewiss. Ich spüre es genau – ich
weiß
es.« Sie nickte ihm zu und sah ihn mit ihren wundervollen Augen an. »Vertrauen Sie mir … Es ist mehr als ein Traum. Sie müssen nur daran glauben … mit allem, was Sie sind und haben! Dann … wird es auch geschehen.«
    Sie nickte noch einmal. Francesco schluckte, ihre Zuversichtbeschämte ihn. Woher nahm sie nur diese Kraft? Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass sie vielleicht zum letzten Mal so miteinander sprachen, und er fühlte sich furchtbar allein. Als habe sie seine Gedanken erraten, legte sie ihre Hand auf seinen Arm. »Nicht traurig sein … bitte … ich bin doch bei Ihnen. Und … ich werde immer bei Ihnen sein …« Ihre Stimme versagte, so erschöpft war sie plötzlich, und sie musste eine Pause machen, bevor sie weitersprechen konnte. »Ich werde Ihnen zuschauen … von oben … und wenn es einmal schneit … ja, auch in Rom schneit es manchmal … dann werden Sie wissen … dass ich Sie grüße – von den Sternen …«
    Auf einmal wurde ein Winseln laut. Francesco drehte sich um. Einer von Clarissas Windspielen lief unruhig hin und her, rieb seine Schnauze an seiner eigenen Flanke, als würde ihn etwas kratzen oder schmerzen, mit einer solchen Heftigkeit, dass er sich um sich selber im Kreise drehte. Francesco stand auf, um das Tier zu beruhigen, doch der Hund benahm sich immer seltsamer, fing mit den Pfoten an zu scharren und versuchte sich unter einem Sessel zu verkriechen.
    »Was ist denn? Was hast du?«
    Der Atem des Hundes ging in ein jagendes Hecheln über. Francesco bückte sich, um ihn zu streicheln. Da sah er auf dem Boden einen angebissenen Pfirsich. Er war aus dem Obstkorb gefallen, der neben dem Bett abgestellt war. Francesco hob ihn auf und betrachtete ihn. Die Frucht war ganz zerfetzt. Hatte der Hund davon gefressen?
    »Woher ist das Obst, Principessa?«
    »Von Cavaliere Bernini«, erwiderte Clarissa mit schwacher Stimme. »Warum … fragen Sie?«
    »Cavaliere Bernini?«, wiederholte er ungläubig. »Sind Sie sich sicher?«
    In Francesco regte sich ein Verdacht. Konnte sein, was er dachte? Die Vorstellung war absurd, grotesk! Doch war sie völlig unmöglich? Er musste sich Gewissheit verschaffen.
    »Komm her!«
    Er pfiff nach dem zweiten Hund – mit tänzelnden Schritten kam das Windspiel herbei. Francesco hielt ihm den Pfirsich hin. Der Hund schnupperte an der Frucht, leckte daran, dann fraß er den Rest des Pfirsichs auf.
    Mit angehaltenem Atem beobachtete Francesco das Tier. Es dauerte keine Minute, da fing auch dieser Hund an zu winseln und zu jaulen. Francesco sah es mit Erleichterung und

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