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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Scudi für einen Tisch!«, schimpfte William. »Welche Eitelkeit! Welcher Wahn! Aber jetzt weiß ich, wie sie sich ihren Prachtaltar leisten – auf Kosten anständiger Leute. Gauner! Banditen!«
    Sie hatten längst die Porta Flaminia hinter sich gelassen, das nördliche Stadttor von Rom, doch William wollte sich immer noch nicht beruhigen. Der Zolloffizier hatte stundenlang ihre Koffer und Mantelsäcke durchwühlt und die aberwitzigsten Vorwände erfunden, um ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen. Allein für das Dutzend Silbergabeln, das Donna Olimpia ihrer Cousine mit auf die Reise gegeben hatte, hatte er ihnen ein Vermögen abverlangt.
    Zehn Tage nach der Einweihung des neuen Hochaltars von Sankt Peter waren sie aufgebrochen. Niemand hatte Clarissas plötzliche Entscheidung verstanden, William so wenig wie Donna Olimpia oder Lord Wotton. Clarissa hatte gesagt, sie vertrage das heiße Klima nicht länger und sehne sich nach ihrer Heimat, und mit einem Seufzer hatte der englische Gesandte ihre Pässe unterschrieben.
    Ohne auf Williams Rede zu achten, blickte Clarissa zum Fenster hinaus. Sie rollten die Via Flaminia entlang. Ein dunkelblauer Himmel wölbte sich über die Hügel, an deren Hängen dicht an dicht die Weinreben standen, hier und da glitzerte silbern das Laub eines Olivenhains, und auf dem Fluss in der Ferne blähten sich die Segel der Boote im Wind. Ja, die Landschaft war wirklich so schön, wie ihre Mutter immer gesagt hatte, die Landschaft und die Städte und die Gebäude, aber hinter dem schönen Schein lauerte das Unheil wie die Schlange unter einem blühenden Busch.
    Clarissa beugte sich vor und schaute noch einmal zurück auf die Stadt. Von den zahllosen Kirchen und Palästen war nur noch der Petersdom mit seiner gewaltigen Kuppel zu erkennen, die übrigen Gebäude waren bereits ununterscheidbar miteinander verschmolzen, ein sanft gewelltes Meer aus ockerfarbenem Stein. So viele Jahre hatte sie dort verbracht, und fast wäre sie dem süßen Gift des Schönen in dieser fremden Welt erlegen.
    Wie konnte ein Mann, der schönere Dinge als Gott selbst erschuf, ein solches Verbrechen begehen?
    Clarissa zog den Vorhang vor das Fenster. Sie hatte nur nocheinen Wunsch: Sie wollte zurück nach England, in ihre Heimat, um Ruhe zu finden. Noch bevor das Jahr zur Neige ging, würde sie verheiratet sein.
    »Dem Himmel sei Dank«, knurrte William in seiner Ecke, »dass wir dieses Gomorrha verlassen!«

ZWEITES BUCH
Risse in der Fassade
1641–1646

1
    Seit der Aufstellung des Obelisken auf dem Petersplatz im Jahre 1586 hatte das römische Volk kein größeres Spektakel auf einer Baustelle gesehen, und alles, was in der Stadt Beine hatte, war herbeigeströmt, um zuzuschauen. Gebannt hielt man den Atem an. Würde das Wunder gelingen?
    Hoch zu Ross, im Sattel eines schneeweißen Neapolitanerhengstes, sprengte Cavaliere Bernini vor dem Petersdom auf und ab, eine Peitsche in der Hand und Befehle rufend wie ein Feldherr in der Schlacht, während an dem neu errichteten Glockenturm, der die Fassade der Basilika an der Nordseite begrenzte, Dutzendschaften von Arbeitern mit Hilfe riesiger Flaschenzüge das maßstabgetreue Holzmodell des Turmhelms in den Sommerhimmel hievten, um es in schwindelnder Höhe auf die Mauerkrone zu setzen.
    Man schrieb den 29. Juni des Jahres 1641. So wie Papst Urban VIII. über die Christenheit regierte, so herrschte Lorenzo Bernini über die Künstler und Baumeister Roms. Bewundert vom Volk, gefeiert von Kardinälen und Fürsten, galt er
urbi et orbi
als größtes Genie seit Michelangelo. Denn längst war aus dem Wunderkind von einst der souveräne Organisator künstlerischer Großunternehmen geworden, mit denen er sich anschickte, das Bild der Ewigen Stadt für alle Zeiten zu prägen.
    Papst Urban und seine Nepoten überhäuften Bernini mit einer solchen Zahl von Aufträgen, dass dieser andere Familien, die ebenfalls Werke von ihm wünschten, immer wieder enttäuschen musste, auch wenn er dadurch den Groll ganzer Adelsgeschlechter auf sich zog. Denn nachdem es den Barberini im Laufe der Jahre gelungen war, alle wichtigen und zinsträchtigen Ämter im Vatikan an sich zu reißen, beschäftigten ihn die Brüder und Neffen des Papstes mit derselben Vorliebe wie Urban selbst. Wie ein Hausschwamm wucherte das Geflecht ihrer Beziehungen und Begünstigungen im Mauerwerk des Staatsgebäudes,und obwohl das Volk immer lauter unter den unaufhörlich wachsenden Steuern stöhnte, mit denen der Papst und

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