Die Principessa
er in eine kleine Gasse ein, die ihn zum Tiber hinabführte.
Tief sog er die warme Nachtluft ein, die voller Geheimnisse und Abenteuer war. Die modrige Feuchtigkeit der Häuser und Kirchen verwob mit dem zarten Duft von Sommerblumen, mit Gerüchen von Kräutern und Gewürzen, von Schinken und Parmesan, von Parfüm und Grappa und schwitzenden Leibern, ein Aroma, das getränkt war von menschlichen und tierischen Ausdünstungen, ein stehender, warmer Geruch, aufgeheizt noch von der Sonne des Tages, in dem die üppigsten Pflanzen gediehen und der in den Seelen der Menschen die Nacht zum Lebenerweckte. Immer dunkler, immer enger wurden die Gassen, je weiter Lorenzo sich dem Tiber näherte, das heitere Lachen und Rufen der Piazza verebbte nach und nach, wurde verdrängt von den rauen Stimmen der in den Schankstuben trinkenden Männer und Frauen, bis nur noch heimliches Flüstern und Tuscheln in den nachtschwarzen Winkeln zu hören war.
Wenig später überquerte Lorenzo den Ponte Sisto. Beschienen vom silbrigen Licht des Monds wälzten die Fluten sich träge und dunkel durch ihr Bett. Ratten huschten über das Pflaster, es stank nach Unrat und Urin. Lorenzo beschleunigte seinen Schritt und fasste nach dem Knauf seines Degens. Hier in Trastevere, am anderen Ufer des Tibers, gehörte der aufblitzende Stahl einer Klinge so selbstverständlich zur Nacht wie das Lächeln schöner Frauen.
Endlich erblickte er das Haus, zu dem es ihn zog. Ein Windlicht flackerte über der Tür, die Fensterläden waren geöffnet. Ein gutes Zeichen: Matteo war noch nicht daheim. Als habe sie sein Kommen geahnt, machte Costanza in diesem Moment die Tür auf. Nur mit einem Hemd bekleidet, lugte sie ins Freie. Was für ein prächtiges Weib sie doch war! Die Lust trieb sie heraus, die Lust auf seine Umarmung, und ließ sie nach ihm Ausschau halten.
Aber was war das? Lorenzo trat hinter einen Mauervorsprung und spähte in die Finsternis, als wolle er sie mit den Augen durchbohren. Costanza war nicht allein, ein Mann war bei ihr. Verflucht, war Matteo doch schon zurück? Aber warum zum Teufel schaute Costanza jetzt einmal nach rechts, einmal nach links die Gasse entlang, wie sie es sonst immer tat, wenn er sie verließ?
Als der Mann ins Freie trat, stockte Lorenzo der Atem. Nein, das war nicht Matteo! Der zog nach dem Unfall in der Gießerei immer noch das Bein nach, doch der Kerl da hinkte kein bisschen. Costanza schlang ihre Arme um den Fremden und verschmolz mit ihm in einem Kuss.
»Warte, das sollst du büßen!«
Mit blankem Degen sprang Lorenzo aus dem Schatten hervor. Ein Aufschrei, und Costanza verschwand im Haus, während der Fremde wie ein Blitz herumfuhr und gleichfalls den Degen zog. Im nächsten Moment klirrten die Klingen aufeinander. Lorenzo trieb seinen Gegner vor sich her, die Gasse hinauf, wie man einen Hund vor sich hertreibt, über eine Piazza hinweg und dann weiter bis zum Fluss. Er focht seit seiner Kindheit und führte eine feine Klinge. Wie einen Vogel hielt er den Griff seiner Waffe in der Hand: gerade so locker, dass er ihn nicht erdrückte, aber fest genug, damit er nicht entweichen konnte. Doch der andere wehrte sich wie ein Tiger, behände und mit unberechenbaren Sprüngen, parierte Lorenzos Attacken allen Regeln der Fechtkunst zum Trotz, und griff plötzlich selber an. Lorenzo ging in die Quart, in die Terz, in die Prim. Er hob den Degen über den Kopf, holte zu einem fürchterlichen Hieb aus – da glitt er aus und stürzte zu Boden. In derselben Sekunde wandte der Fremde sich ab und rannte davon.
Den Degen in der Hand, setzte Lorenzo ihm nach, verfolgte ihn durch die dunklen Gassen und Straßen, manchmal nur noch seinen Schatten erahnend, jagte ihn durch die halbe Stadt, über Treppen und Wegkreuzungen und Plätze hinweg, bis Santa Maria Maggiore. Der Fremde versuchte in die schlafende Kirche zu fliehen, doch das Portal war verschlossen.
»Hab ich dich endlich!«, rief Lorenzo.
Der Fremde stand mit dem Rücken zur Wand, in die Enge getrieben wie ein Tier am Ende der Jagd. Die Lust zu töten erhob sich in Lorenzo wie die Lust, in eine Frau einzudringen. Er spürte keinen Schmerz, keine Erschöpfung, keine Atemnot – nur noch fiebernde Erregung. Mit einem Schrei stürzte er sich auf den Gegner, der Stahl seines Degens blitzte auf. Mit einem verzweifelten Ausfallschritt versuchte der andere, auch diese Attacke zu parieren – aber zu spät! Er brauchte einen Moment, um sich wieder aufzurichten, und in diesem Moment
Weitere Kostenlose Bücher