Die Principessa
ein, »wir könnten eine Ausnahme immerhin in Erwägung ziehen.«
»Auf gar keinen Fall!«, widersprach Donna Olimpia. »Wir wollen Rom erneuern, und das können wir nur, wenn wir den alten Augiasstall gründlich ausmisten – ein für alle Mal.«
Sie blickte Innozenz so streng an, dass dieser mit einem Seufzer Lorenzo beschied: »Wir fürchten, Donna Olimpia hat Recht. Uns sind die Hände gebunden.«
»Dann wollt Ihr«, fragte Lorenzo ungläubig, »Eurem Volk wirklich das Abbild Eurer Heiligkeit vorenthalten?«
Innozenz nickte mürrisch mit dem Kopf. Lorenzo wartete, ob der Papst seinen Entschluss vielleicht korrigierte, doch Innozenz streckte ihm wortlos ein zweites Mal die Hand zum Kuss entgegen, so dass ihm nichts weiter übrig blieb, als seinen Abschied zu nehmen.
»So Leid es mir persönlich um die Bildsäule tut, Cavaliere, aber Gesetz ist Gesetz. Kein Sterblicher darf sich darüber erheben.« Olimpia sagte diese Worte in bedauerndem Ton, doch in ihren Augen blitzte ein solcher Triumph, dass Lorenzo jede Hoffnung fahren ließ. Er hatte sich für einen Diplomaten gehalten? Ein gottverdammter Narr war er! Nein, diese Frau hatte die Beleidigung nicht vergessen, die er ihr zugefügt hatte, und das war jetzt die Quittung.
Gebeugten Hauptes bewegte er sich rückwärts in Richtung der Flügeltür, die der Gardist bereits für ihn geöffnet hatte, und mit jedem Schritt, den er sich vom päpstlichen Thron entfernte, war ihm, als entferne er sich von der wärmenden Sonne.
Er hatte die Türschwelle noch nicht erreicht, da richtete DonnaOlimpia ein letztes Mal das Wort an ihn. Lorenzo zuckte zusammen. Was wollte sie denn noch? Hatte sie ihn nicht schon genug gestraft?
»Übrigens«, sagte sie wie beiläufig, »der Heilige Vater hat beschlossen, eine Kommission einzusetzen. Sie soll die Bauschäden an Sankt Peter untersuchen, die Ihr Glockenturm verursacht hat. Es heißt, Madernos herrliche Fassade drohe einzustürzen.« Damit kehrte sie Lorenzo den Rücken zu.
11
Papst Innozenz saß noch keinen Monat auf dem Thron, da machte Donna Olimpia sich daran, den Augiasstall auszumisten, den Papst Urban hinterlassen hatte – eine Aufgabe, die wahrlich herkulische Kräfte erforderte. Denn Rom, die Stadt, in der seit Christi Tod am Kreuz alle Fäden der Weltmission zusammenliefen, in der die heilige katholische Kirche im Namen Gottes über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Menschheit verfügte, in der sie den Himmel nach eigenem Gutdünken öffnete oder schloss, den Gläubigen die ewige Seligkeit schenkte und die Ungläubigen der ewigen Verdammnis anheim gab – dieses Rom war zugleich die Hauptstadt eines kleinen, weltlichen Fürstentums, dessen Machthaber, geleitet von den Interessen ihrer jeweiligen Partei, nicht weiter sahen als der Schatten von Sankt Peter reichte.
Nicht genug damit, dass der Krieg gegen Castro den Kirchenstaat zwölf Millionen Scudi gekostet hatte, schien Urbans ganzes Bestreben der Bereicherung seiner Familiaren gegolten zu haben. Dabei stellte er alle seine Vorgänger in den Schatten, denn während der Dauer seines langen Pontifikats hatte er seinen Nepoten das riesige Vermögen von einhundertfünf Millionen Scudi geschenkt, eine so ungeheuerliche Summe, dass sie ihmam Ende selbst als bedenklich erschienen war und er kurz vor seinem Tode in Sorge um sein Seelenheil ein Consilium eingesetzt hatte, das über die Rechtmäßigkeit seines Handelns befinden sollte – freilich mit dem Ergebnis, dass der Papst in allen Dingen recht getan hatte.
Ob der himmlische Richter sich diesem Urteil anschloss, vermochte niemand zu sagen – seine Stellvertreterin auf Erden tat es jedenfalls nicht. Wie ein alttestamentarisches Strafgericht brach Donna Olimpias Zorn über Urbans Gezücht herein, entkleidete seine Kreaturen all ihrer Ämter und nahm ihnen die zinsträchtigen Pfründen, die sie über Jahre und Jahrzehnte so erbarmungslos eingetrieben hatten, sodass sich die Kardinäle Francesco und Antonio Barberini sowie eine ganze Reihe weiterer Angehöriger des verstorbenen Papstes genötigt sahen, Rom zu verlassen und vorerst in Frankreich Zuflucht zu suchen. Donna Olimpia aber galt als heimliche Königin der Stadt, und manch einer nannte sie voller Respekt den »einzigen Mann Roms«.
Die neue Herrschaft bekam auch der Leiter der päpstlichen Baukongregation zu spüren, einer von Urbans zahllosen Günstlingen, an dessen Stelle Innozenz den überaus tüchtigen Propst der Kongregation des heiligen Filippo
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