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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Ende machten, doch bevor sie ihre Sprache wiederfand, zeigte ein baumgroßer Schmied mit ausgestrecktem Arm zum Himmel, an dem in der Ferne eine weiße Rauchsäule aufstieg.
    »Da, da, da!«, brüllte er wie ein Idiot.
    Der Apotheker sank auf die Knie und faltete die Hände. »
Habemus Papam! Deo gratiam!
«
    Für eine Sekunde war es auf der kleinen Piazza so still wie in einer Kirche. Alle starrten auf die Säule am Himmel, mit aufgerissenen Mündern, als könnten sie nicht fassen, was sie doch mit eigenen Augen sahen.
    Ein Scherenschleifer kam als Erster wieder zu sich. »Auf, zum Palazzo Pamphili!«, schrie er, nahm ein Messer von dem Werkzeughaufen auf seinem Karren und rannte los.
    Es war, als hätte er einen Schlachtruf ausgestoßen. Den Hausfrauen fielen ihre Körbe aus den Händen, die Bauern ließen ihre Marktstände im Stich – alles, was auf der Piazza Beine hatte, ließ seine Sachen stehen und liegen und lief dem Scherenschleifer nach.
    »Zum Palazzo Pamphili! Zum Palazzo Pamphili!«
    Aus tausend Kehlen gleichzeitig schien der Ruf zu ertönen. Jemand stieß Clarissa beiseite, so heftig, dass sie gegen eine Mauer taumelte. Überall stürzten Männer, Frauen und Kinder aus den Häusern, als gelte es ihr Leben, zu viert, zu fünft, im Dutzend quollen sie aus den Türen hervor, sodass Clarissa Angst hatte, zerquetscht zu werden. Alles drängte und zwängte sich in Richtung der Piazza Navona, ohne Rücksicht auf die anderen, mit gierigen Blicken und bösen Flüchen, eine rasende Horde von Menschen, die völlig außer Rand und Band geriet. Clarissaflüchtete sich in eine Toreinfahrt, doch es wurden immer mehr, von Minute zu Minute wuchs die Menschenmenge an: ein Sturzbach aus stampfenden und tobenden Leibern, der sich in die kleine Gasse ergoss und alles mit sich riss, was sich ihm in den Weg stellte.
    Clarissa wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie sich wieder aus der Einfahrt hervorwagte. Ein Bettler lag am Boden, den die Menge niedergetrampelt hatte, und tastete wimmernd nach seinen Krücken, die unter einem umgestürzten Gemüsekarren hervorragten, während immer noch Scharen von Menschen in die gleiche Richtung liefen. »Zum Palazzo Pamphili! Zum Palazzo Pamphili!« Was wollten all diese Männer und Frauen dort? Clarissa versuchte in eine zweite Gasse auszuweichen, doch die war genauso verstopft wie die erste, und in einer dritten versperrte den Weg eine Kutsche, die sich an einer Hausecke verkantet hatte. Mit vor Angst rollenden Augen bäumten sich die Pferde in den Geschirren auf.
    Es war schon später Nachmittag, als sie endlich auf die Piazza Navona gelangte. Vor dem Palazzo Pamphili standen hunderte von Menschen, die gestikulierend aufeinander einredeten und wütend auf das Portal zeigten, aus dem Menschen ins Freie traten, die Clarissa nie in ihrem Leben gesehen hatte, die meisten mit leeren Säcken in den Händen. Die Bretter, die Olimpia vor dem Tor hatte anbringen lassen, waren fortgerissen und lagen zersplittert im Eingang herum, zusammen mit Haufen von Gerümpel und Lumpen, die Männer und Frauen mit gieriger Verzweiflung durchsuchten.
    »Was geht hier vor?«, fragte Clarissa einen Priester in speckiger Soutane, der einen Bronzeleuchter in der Hand hielt. »Plündern die Leute den Palast?«
    »Gewiss«, erwiderte der Gottesmann. »Das sehen Sie doch!«
    »Aber warum tut denn keiner was dagegen?«, rief Clarissa.
    »Jeder darf den Palast des Kardinals plündern, der zum Papst gewählt worden ist. Aber«, fügte er sichtlich enttäuscht hinzu, »Donna Olimpia war schon vor uns da.«
    Clarissa stutzte. »Soll das heißen«, fragte sie, während ihre Verwirrung aufsteigendem Jubel wich, »Kardinal Pamphili ist der neue Papst?«
    Der Priester nickte ergeben. »Der Herr hat es so gewollt.« Dann verdüsterte sich sein Gesicht, und mit unheilvoller Stimme fügte er hinzu: »Wehe, wenn Donna Olimpia die Kirche einst so zurücklässt wie dieses Haus.«

10
    Wenn der Prophet nicht zum Berg geht, geht der Berg zum Propheten …
    Es geschah selten, dass Lorenzo Bernini Zuflucht zur Bibel nahm, doch allmählich wusste er sich keinen anderen Trost mehr. Schon über zwei Stunden ließ Papst Innozenz X., wie Giambattista Pamphili sich seit seiner Inthronisierung nannte, ihn in diesem Vorzimmer schmoren. Dabei hatte es Wochen gedauert und einer gezielten Intervention durch Monsignore Spada bedurft, um überhaupt eine Audienz zu erlangen. Was für eine unglaubliche Frechheit!
    Dieser Papst schien

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