Die Principessa
überhaupt nichts anderes im Sinn zu haben, als den ersten Künstler Roms zu provozieren. Obwohl alle Welt behauptete, die Kassen des Staates seien so leer wie die Kornkammern Ägyptens zur Zeit der sieben Plagen, hatte Innozenz Unsummen für das Fest seiner Thronbesteigung ausgegeben. Lorenzo hatte die Bilder noch so lebendig vor Augen, als hätte er sie selbst gemalt. Der Stümper Rainaldi hatte die Feier auf der Piazza Navona gestaltet, wo auf einem künstlichen Hügel, der den Berg Ararat darstellen sollte, eine riesige Arche stand, darauf Noah mit ausgestrecktem Arm, um eine Taube mit Olivenzweig im Schnabel zu empfangen, die, geleitet an einem unsichtbaren Faden, vom Palazzo Pamphili herbeigeflogen kam … Was für eingeschmackloses Schauspiel! Lorenzo hätte sich fast erbrochen, und noch jetzt schüttelte er sich bei der Erinnerung.
Herrgott, wie lange sollte er noch warten? Die Stille in dem kühlen, quadratischen Raum schien sich unter der gewölbten Stuckdecke förmlich zu stauen. Kein Laut der Welt drang durch die Scheiben herein. Ein einzelner Gardist bewachte mit seiner Hellebarde die hohe Flügeltür, die in den Audienzsaal führte, und versuchte mühsam, keine Regung zu zeigen, obwohl eine Fliege sich immer wieder auf seine Nase setzte. Voller Wehmut beobachtete Lorenzo das geflügelte Tier. Ach, wie glücklich war er gewesen, als er seine Werke noch mit den Barberini-Bienen versehen hatte!
Ob ihm die Tauben der Pamphili jemals ähnliches Glück bescheren würden? Alles hing davon ab, was für ein Mann der neue Papst war. Lorenzo war ihm bisher nur einmal begegnet, und diese Begegnung war kurz, vielleicht allzu kurz gewesen.
»Monsignore Spada ließ uns wissen, dass Ludwig, das Kind auf Frankreichs Thron, dich durch seinen ersten Minister nach Paris gerufen hat. Willst du der Einladung Folge leisten?«
Lorenzo staunte, wie unsagbar hässlich Innozenz war, als er ihm endlich gegenüberstand. Mit seiner fliehenden Stirn, den kleinen Augen, der klobigen Nase, dem schütteren Spitzbart und den riesigen Füßen, die unter der weißen Soutane hervorragten, war er das vollkommene Modell für einen Satyr oder Faun, dazu angetan, jedes Kind zu erschrecken, das seiner ansichtig wurde.
Bevor Lorenzo antwortete, wählte er seine Worte mit Bedacht: »Ich bin mir bewusst, Heiliger Vater, die Einladung ist, obgleich sie schon zum zweiten Mal an mich ergeht, eine unverdiente Auszeichnung. Ich habe sie aus diesem Grund beim ersten Mal abgelehnt, doch darf ich mich ihr ein zweites Mal verweigern, ohne den König zu beleidigen?«
»Ob die Auszeichnung berechtigt ist, mögen andere beurteilen«, erwiderte Innozenz mürrisch. »Uns interessiert nur die Absicht, die ihr zugrunde liegt. Die französischen Kardinälehaben während des Konklaves alles unternommen, um unsere Wahl zu verhindern. Und jetzt erdreistet sich dieser Mazzarini, kaum dass wir den Thron bestiegen haben, den ersten Künstler Roms nach Paris zu rufen. Das ist eine offene Provokation!«
Lorenzo senkte bescheiden den Blick. »Ich bin ein unbedeutender Mann, Ewige Heiligkeit. Von politischen Geschäften verstehe ich nichts. Allein künstlerische Erwägungen leiten mein Tun.«
»Das heißt, du willst nach Paris?«
»Die Aufgabe, die der französische Hof mir in Aussicht stellt, ist über alle Maßen reizvoll. Ich soll eine Bildsäule Seiner Majestät fertigen.« Zufrieden registrierte Lorenzo die Verärgerung in Innozenz’ Gesicht. »Es lässt sich«, fügte er nach einer wohl kalkulierten Pause hinzu, »für einen Künstler nur eine Aufgabe denken, die reizvoller sein kann als diese …«
»Und die wäre?«, fragte der Papst.
Lorenzo zögerte: einerseits, um sich für das lange Warten zu rächen, andererseits, weil ihm der Vorschlag, den er im Begriff stand zu machen, kaum über die Lippen wollte, so sehr würgte es ihn bei der Vorstellung, dass er tatsächlich zur Ausführung gelangte.
»Nun, welche Aufgabe meinst du?«
Lorenzo sah in das hässliche Gesicht des Papstes. Was für eine Beleidigung des Auges! Doch er musste diesen Mann für sich gewinnen, koste es, was es wolle – der Glockenturm ließ ihm keine Wahl. Also würgte er den Kloß in seinem Hals hinunter und sagte: »Eine Bildsäule Eurer Heiligkeit.«
Ein Ausdruck geschmeichelter Eitelkeit hellte Innozenz’ Miene auf. Er sollte seine Haut mit Wegerichwasser behandeln, dachte Lorenzo, während er zusah, wie es hinter der Fassade des Papstes arbeitete. Nachdenklich strich Innozenz
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